: „...entschloß ich mich zu verweigern“
Gespräch mit dem südafrikanischen Kriegsdienstverweigerer Mark Patrick / Direkt nach der Schule an die Front im Norden Namibias / Schwarzbemalte Rekruten aus Südafrika als falsche Unita-Rebellen in Angola ■ I N T E R V I E W
taz: Du hast zwei Jahre in der südafrikanischen Armee gedient, davon vier Monate im Norden Namibias an der Grenze zu Angola. Was hat dich dazu veranlaßt, zu verweigern, nachdem du schon die Hälfte deines Kriegsdienstes abgeleistet hattest?
Mark Patrick: Als weißer südafrikanischer Mann muß man vier Jahre Kriegsdienst leisten. Zwei Jahre davon in einem Stück, die anderen 48 Monate auf zwölf Jahre verteilt. Wie die meisten anderen auch kam ich gleich nach der Schule zum Militär. Nach den zwei Jahren ging ich zur Universität, wo ich mit neuen Gedanken konfrontiert wurde. Erst dort wurde mir klar, daß ich während der zwei Jahre das Apartheid -System und die illegale Besetzung Namibias unterstützt hatte. Daraufhin entschloß ich mich zu verweigern. Das war 1983. 1985 trat ich dann der Organisation südafrikanischer Kriegsdeienstverweigerer, „End Conscription Campaign“, bei.
Die südafrikanische Besatzungsarmee in Namibia ist bekannt für ihr brutales Vorgehen gegen die schwarze Bevölkerung. Was hast du damals für Erfahrungen gemacht?
Glücklicherweise war ich in der Zeit an keinen kriegerischen Handlungen beteiligt. Die Soldaten sind meistens sehr jung, wenn sie an die „Grenze“, wie in Südafrika der Norden Namibias genannt wird, geschickt werden. Zusätzlich zu den normalen Ärgernissen in der Armee wie schlechtes Essen, rohe Disziplin und kein Kontakt zur Familie kommen dort noch die Entbehrungen durch die besondere Situation hinzu. Als Ausgleich erhält man lediglich Gefahrenzulage. Es gibt kein politisches oder moralisches Verständnis für die Gründe, warum man überhaupt da oben ist. Außerdem wird einem immer eingetrichtert, daß man da ist, um Südafrika vor der „Schwarzen Gefahr“, vor der SWAPO und vor den Kommunisten zu schützen. So entwickelt sich nach und nach ein Haß auf den Feind, von dem man eigentlich nicht viel weiß.
Dein Bruder ist in Angola gefallen?
Ja, anfänglich wurde behauptet, daß er an der Grenze zu Angola gestorben ist. Später erfuhren wir, daß er bei einem Gefecht 300 Kilometer im Inneren Angolas gefallen war, daß er sein Gesicht schwarz bemalt hatte, eine Uniform der UNITA -Rebellen trug und einen portugiesischen Paß und Bibel in der Tasche hatte. Das hat auch dazu beigetragen, daß ich verweigert habe.
Letzte Woche ist der Kriegsdienstverweigerer Charles Bester zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Im August hatte es bereits David Bruce getroffen. Was wird mit dir passieren?
Das Gesetz sieht vor, daß Kriegsdienstverweigerer das anderthalbfache der Militärzeit entweder in einem zivilen Dienst oder im Gefängnis zubringen. Nachdem ich schon zwei Jahre beim Militär war, würde ich maximal zu drei Jahren verurteilt werden können.
Wovon hängt es ab, ob man als Kriegsdienstverweigerer ins Gefängnis kommt oder Zivildienst leisten muß?
Wenn man ganz deutlich macht, daß man aus religiösen Gründen verweigert und sich generell an keinem Krieg beteiligen würde, dann ist es relativ einfach, als Zivildienstleistender anerkannt zu werden. Nennt man hingegen politische Gründe, warum man nicht in der südafrikanischen Armee dienen will, dann muß man ins Gefängnis. Viele ziehen es auch vor, ins Ausland oder in den Untergrund zu gehen.
Die „End Conscription Campaign“ wurde diesen August verboten. Gibt es Überlegungen, wie dieses Verbot zu umgehen ist? Wird eine neue Organisation gegründet werden?
Im Namen von ECC kann nichts mehr gemacht werden. Das ist zu gefährlich. Andererseits ist die Bewegung der Kriegsdienstverweigerer weit verbreitet. Beispielsweise erklärten diesen August 143 Männer zusammen ihre Verweigerung. In den Kirchen gibt es eine große Opposition gegen den Kriegsdienst. Eine Möglichkeit wäre, in den Kirchen Jobs für Zivildienstleistende zu schaffen, um zu zeigen, daß wir bereit sind, für das Allgemeinwohl zu arbeiten, aber in der Art und Weise, wie wir es für richtig halten. Wir fordern, daß aus politischen und religiösen Gründen verweigert werden kann, daß Zivil- und Militärdienst gleich lange dauern. Und daß der alternative Dienst auch in nicht-staatlichen Institutionen abgeleistet werden kann.
Das Interview führte Michael Fischer
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