Ein Pragmatiker namens John Tower

Bushs Verteidigungsminister / Der neue Pentagon-Boss ist in der Welt der Rüstungsmilliarden zuhause  ■ P O R T R A I T

Aus Washington Stefan Schaaf

Seit zwei Wochen war es in Washington von Tag zu Tag immer offizieller geworden, am Freitag wurde es zur Gewißheit: Der Pentagon-Chef in George Bushs Kabinett wird John Tower heißen. Tower war schon während des Wahlkampfs als aussichtsreichster Kandidat für das Verteidigungsministerium genannt worden, doch wegen einer umfangreichen FBI -Überprüfung seines Lebenswandels und seiner Lobbyistentätigkeit mußte der alte Bush-Freund und ehemalige republikanische Senator aus Texas fast zwei Wochen auf das grüne Licht vom Stab des neugewählten Präsidenten warten. Tower hatte 1961 den Senatssitz Lyndon B. Johnsons übernommen; 1981, als die Republikaner die Mehrheit im Senat gewannen, wurde er dort Vorsitzender im Streitkräfteausschuß. Dort spielte er eine entscheidende Rolle bei der Bewilligung des Reaganschen Aufrüstungsprogramms und baute beste Kontakte mit den großen Waffenkonzernen auf. Eigentlich hatte er schon 1981 Pentagon -Chef werden wollen, doch gab Reagan damals Weinberger den Vorzug. Anfang 1985 legte Tower seinen Senatssitz nieder, kurz darauf wurde er von Reagan für 14 Monate zum Unterhändler bei den Genfer START-Abrüstungsverhandlungen mit der Sowjetunion berufen. Nach seinem Rücktritt von dieser Funktiongründete Tower eine Lobbyistenfirma, die zuletzt für jährlich hunderttausende von Dollars Rüstungskonzerne beriet. Zu den Rüstungsfirmen, bei denen Tower für „Beratungstätigkeit“ abkassierte, gehörte Astrotech (45.000 Dollar pro Jahr), British Aerospace (100.000 Dollar), LTV (96.000 Dollar), MartinMarietta (100.000 Dollar) und Rockwell International (120.000 Dollar). Von diesen und zwei weiteren Firmen nahm Tower mehr als 600.000 Dollar pro Jahr ein. Wegen dieser innigen Verbindung zur Industrie herrschen erhebliche Zweifel, ob Tower der richtige Mann für die kommenden mageren Jahre im Pentagon sein wird. Er ist sich bewußt, daß von ihm die Quadratur des Kreises verlangt wird: „Wir müssen mindestens genausoviel, wenn nicht mehr Verteidigung für weniger Geld bereitstellen“, sagte er am Freitag vor der Presse. Obendrein genießt er nicht den Ruf, ein besonders fähiger Manager zu sein, kein gutes Zeichen für ein von Korruptionsskandalen um die Waffenbeschaffung gebeuteltes Pentagon. Rüstungspolitisch gilt Tower hingegen als Pragmatiker, von konservativen Ultras wird seine mangelnde Hingabe zu ihrer Globalphilosophie angemerkt. Beispiel: Towers nüchterne Betrachtung des SDI-Programms als eines „Hebels für Verhandlungen“.

Daß er vom ideologisch motivierten Übermut der Reagan -Ultras wenig hält, zeigte er auch in seiner Untersuchung des Iran-Contra-Skandals, in der er mit harten Worten eine aus dem Ruder gelaufene Administration kritisierte. Als Senator hat Tower sich gegen den Abzug von US-Truppen aus Europa ausgesprochen, er sehe derlei auch für die unmittelbare Zukunft nicht voraus, sagte er nach seiner Ernennung, nannte aber eine „rationellere Streitkräftestruktur“ sein oberstes Ziel. Nachdem Bushs Wahlkampfrivale Jack Kemp am Freitag zum Wohnungsbau- und Stadtentwicklungsminister ernannt wurde, ist das Bush -Kabinett damit bis auf das Arbeitsministerium und die vor allem mit der Umwelt- und Atompolitik befaßten Ministerien komplett.