piwik no script img

Beirat will keine Asyl-Baracken

■ SPD in Gröpelingen: Zuviele Problemgruppen im Stadtteil / Noch im November wollte sie einen Kompromiß mit Scherf: Asyllager gegen Kinderhort / DKP-Veteran: Schon genug Zigeuner

Sozialsenator Henning Scherf war am Montagabend extra nach Gröpelingen gereist, um zumindest die eigenen SPD-Genossen für seine Pläne zu gewinnen. Vergebens. In seiner öffentlichen Sitzung lehnte der Ortsteilbeirat das Asyllager am Industriehafen ab.

Neben der Giftmüllfirma Plump will der Senat zwei Baracken für 60 männliche Asylbewerber herrichten lassen. Damit wirft er einen Grundsatz Bremer Asyl

politik über Bord: Politische Flüchtlinge wurden bisher nicht in Sammellagern interniert, sondern „dezentral“ in Wohnungen oder Hotels untergebracht.

Die Baracken am Hafen dienten früher als Unterkünfte für portugiesische Hafenarbeiter und stehen seit 1984 leer. Die Arbeiterwohlfahrt (Awo), die die Unterkunft für die Behörde verwalten sollte, ist in der vergangenen Woche aus dem Projekt ausge

stiegen. Sie fordert, daß die Stadt anstelle des Barackenlagers leerstehende Wohnhäuser für die politischen Flüchtlinge ankauft und bereitstellt.

Am Montagabend zeigten nun auch die GenossInnen vor Ort ihrem Senator die kalte Schulter. Dabei hatten sie noch Mitte November ihre Zustimmung zu dem Baracken-Plan signalisiert. Damals war noch vorgesehen, dort Familien mit Kindern einzuquar

tieren. Die SPD-Beiratsfraktion wollte dem zustimmen, wenn für die Asyl-Kinder ausreichend Spielmöglichkeiten geschaffen würden und wenn sichergestellt sei, daß die Asyl -Kinder nicht ins Hafenbecken fallen oder auf der dicht befahrenen Hafenrandstraße unter die LKW-Räder kommen. Außerdem wollte die Gröpelinger SPD im Gegenzug von Scherf die „Sozialversorgung des Stadtteils“ aufbessern lassen: Ein Kindertagesheim sollte wieder auf Ganztagsbetrieb umgestellt werden und ein neuer Hort sollte eingerichtet werden.

Doch vorgestern auf der öffentlichen Beiratssitzung waren die Gröpelinger GenossInnen nicht mehr auf Kompromiß eingestellt: In ihrem Stadtteil könnten „keine weiteren Problemgruppen“ untergebracht werden. Die Integrationsfähigkeit Gröpelingens sei erschöpft.

In diese Kerbe hieb auch der betagte DKP-Genosse Hermann de Fries. Er beklagte die Ansied

lung von „Zigeunern“ in seinem Heimatquartier und schrieb diesen die wachsende Zahl der Diebstähle zu.

Auch die CDU lehnte das Barackenlager ab, stimmte aber nicht für die SPD-Resolution. CDU-Sprecher Meinhard Kehlbeck: Die SPD-Beiräte seien seit ihrem versuchten Kuhhandel „unglaubwürdig“.

So oder so: Niemand will Scherfs Pläne vor Ort mittragen. Werner Alfke, Pressesprecher des Sozialsenators, tags darauf: „Wir machen es trotzdem“, weil sonst vielleicht bald Zelte auf der Bürgerweide aufgeschlagen werden müßten. Die Umbauarbeiten sind bereits im Gang. Schon in den ersten Januartagen sollen die Baracken teilweise bezugsfertig sein. Alfke hofft, daß es dazu aber nie kommen wird. Die Sozialbehörde habe bereits ein anderes Objekt am Haken, an dem sich die Kritik nicht so entzünden könne, wie an den Gröpelinger Baracken.

mw

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen