: Metropolo Berlin - Rückblicke, Ausblicke
■ Hans-Jürgen Kuhn, der sportpolitische Sprecher der AL, zieht Bilanz und schaut in die Zukunft der „Sportstadt“ Berlin
Auf geht's '89! Und damit wir wissen, wo's langgeht, beschert uns der LSB noch vor dem Jahreswechsel die neue Richtung: Nach B 750 und E 88 nun das „Jahr des Sports“. Grund genug, sich mögliche und unmögliche Ereignisse auszumalen.
Die Latte zu hoch gelegt hatte sich im vergangenen Jahr Dietmar Mögenburg. Als Wahl-Berliner mit einer Senatsstelle von Hanna-Renate gesponsort, packt er im Januar die Koffer und zeigt uns die kalte Schulter. An Nachrückern auf die zehn Senatsstellen mangelt es allerdings nicht. Ja, wenn alles klappt, hinterläßt uns Innensenator Kewenig zum Abschied aus dem Senat noch ein Geschenk besonderer Art: 15 junge Leistungssportler sollen künftig als Polizisten verkleidet für mehr Sicherheit bei den Medaillienhochrechnungen sorgen.
Auf einen prominenten Aussiedler hofft dagegen die Berliner Sprinterszene. Ben Johnson als Landestrainer wäre geradezu ein Akt der Wiedergutmachung in der Möchtegern-Olympiastadt Berlin. Wer wird denn da mit Pillen nach ihm werfen?
Ob die Firma Schering den Vorsitz im „Verein zur Förderung des Leistungssport“ tatsächlich übernimmt, bleibt abzuwarten. Die Hoffnung, daß es dann zu mehr als nur Geldspritzen kommt, ist jedenfalls nicht abwägig.
Aber wir wollen nicht ungerecht sein, Berlin ist auch die Stadt des Breitensports. Es gehört zu den großen Verdiensten des scheidenden Verkehrssenators Wronski, die „Sport für alle„-Forderung des DSB ernst genommen zu haben. Dank der neuen BVG-Tarifstruktur und erfolgreicher Einsparungen im Bus-Bereich werden immer mehr Berliner zu ADAC-Mitgliedern, oder sie bleiben Ausdauersportler und Kurzstreckenläufer. Jede Wartehalle ein Lauftreff - warum eigentlich nicht?
Auch im neuen Jahr werden viele BerlinerInnen Sport im Verein besonders schön finden (müssen). Der Anlaß zur Mitgliedschaft könnte allerdings eher dem Umstand geschuldet sein, daß durch ein neues Sportförderungsgesetz Nichtvereinsmitglieder künftig noch weniger Chancen haben werden, eine Turnhalle von innen zu sehen.
Besondere Zuwachsraten durch andere Gesetze erhofft sich der Deutsche Camping Club - Landesverband Berlin. Dank der Aufhebung der Mietpreisbindung und einer geschickten Wohnungsbaupolitik des Senats, ist die Nachfrage nach Dauercampingplätzen bereits stark gestiegen. Erst vor wenigen Wochen demonstrierten Studenten eindrucksvoll die Vielfalt denkbarer Zeltformen, Platz ist schließlich auf der kleinsten Wiese!
Aber zurück zur Sportstadt Berlin. Wenig Weltstadtgeist bewies der LSB im vergangenen Jahr, als er dem Volleyballverein „Vorspiel-Schwuler Sportverein Berlin“ die finanzielle Förderungswürdigkeit verweigerte. Doch durch das bereits erwähnte neue Sportförderungsgesetz ist nun auch diese Entscheidung obsolet und die schwulen Volleyballer können sich demnächst über einen warmen Geldregen freuen. So richtige Freude käme aber wohl erst auf, wenn sich der LSB und die fünften Gay Games für 1998 bewerben und Berlins engagierte Sportsenatorin Laurien die Schirmherrschaft übernehmen würde. Noch ist es nicht zu spät!
Sicher ist dagegen, daß in diesem Jahr die besten Hockeyspieler der Welt zur Champions-Trophy nach Berlin kommen werden. Nachdem der LSB-Präsident von Richthofen im vergangenen Jahr seine Karrierepläne auf Bundesebene begraben mußte, wird der ehemalige Leistungshockeyspieler durch dieses Ereignis vielleicht etwas getröstet werden können. Schließlich spendiert der Senat nicht nur 700.000 Mark zur Durchführung der Meisterschaft, auch die alten Umkleidekabinen am Olympiastadtion sind für 3,5 Millionen fast neu gebaut worden. Vielleicht stimmt es ja doch, daß die Räume anschließend als Studentenwohnheim vorgesehen sind.
Nach der Devise - nicht kleckern, sondern klotzen, haben Senat und LSB es geschafft, ein weiteres Volkssportereignis nach Berlin zu holen. Nur Miesepeter halten die halbe Million Mark Senatszuschuß für rausgeworfenes Geld, wenn im August Vertreter der oberen Zehntausend aus acht Nationen mit ihren Pferden anreisen und das Maifeld für eine Polo -Weltmeisterschaft unter Beritt nehmen. Daß Prinz Charles mindestens einmal vom Pferd fällt, gilt unter Fachleuten als sicher, spekuliert wird allerdings über die Frage, welches der 30 Pferde es sein wird, die ein guter Polo-Spieler bei einer WM nun mal braucht.
Aber lassen wir uns überraschen, vielleicht kommt es nach dem 29.1. alles ganz anders.
Hans-Jürgen Kuhn
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