Schraubenzieher im Anrollen

■ Handwerkliche Hilfe von der „Rollenden Werkstatt“

Oma Steinbock wohnt ihr Leben lang im Kiez, seit 40 Jahren im selben Haus. Oma Steinbock ist alt, das Haus ist alt, und die Wohnungseinrichtung ist auch alt. Wenn die Türklinke abbricht, die Schranktür klemmt und die Stehlampe den Geist aufgibt, weiß Oma Steinbock nicht mehr, was sie machen soll. Einen Handwerker kann sie nicht bezahlen, und es käme auch sowieso keiner wegen solcher Kleinigkeiten. Und wenn doch welcher sollte es sein: Schreiner, Elektriker oder Schlosser? Also, wer hilft Oma Steinbock?

Die „Rollende Werkstatt“! Auf Wunsch kommen junge Facharbeiter ins Haus, beheben für zehn Mark Stundenlohn die kleinen Unannehmlichkeiten und trinken auch schon mal ein Täßchen Kaffee mit - auch ein Schwätzchen gegen Oma Steibocks Einsamkeit. Die „Rollende Werkstatt“, die im Stadtteil Schöneberg solche Dienstleistungen alten, behinderten und bedürftigen Mitbürgern anbietet, ist eine Abteilung des Werkstattzentrums Schöneberg. Dieses, vom Senat als Qualifizierungsprojekt gefördert, bietet ABM -Stellen für junge Handwerker aller Fachrichtungen, die Berufserfahrung brauchen, und schlägt so zwei Fliegen mit einer Klappe: Eine „Marktlücke“ wird geschlossen, und es schafft Arbeitsplätze.

Das Werkstattzentrum ist gut durchdacht. Es besteht aus vier Abteilungen, die sich gegenseitig ergänzen und den Lernwilligen differenzierte Qualifizierungsmöglichkeiten bieten. Abteilung 1 ist die „Rollende Werkstatt„; Abteilung 2 ist „Sperrmüllaufarbeitung“. Kaputte Haushaltsgeräte und Holzmöbel, wiederverwendbar gemacht, werden billig an Interessenten abgegeben. Abteilung 3 heißt „Entwicklungswerkstatt“. Kleine Ideen, die etwas Neues, Brauchbares darstellen, zum Beispiel in Sachen „praktisch im Haushalt“ oder „Umweltschutz“, „Energiesparen“ können hier in Gegenstände umgewandelt werden.

Der Renner zur Zeit: die Wurmkiste. Sie ist klein, aber oho. Man stellt sie in die Küche, füllt sie mit orgamischem Müll und 500 von Wurmvater Starck gezüchteten Würmern - und deckt sie lieber zu, damit die Nase beim Essen nicht abgelenkt wird. Nach etwa einem halben Jahr erntet man beste Erde, geeignet für Blumentöpfe oder Berliner Baumwurzeln.

Und schließlich gibt es die Abteilung 4 für Profi- und Amateurdesigner. Für ungewöhnliche und neugestaltete Einrichtungsgegenstände aller Art werden hier Prototypen erstellt (eine erste Ausstellung war im August bereits zu sehen) und könnten dann auch in Kleinserienproduktion gehen. Wunschvorstellung: Das soll mal Profit bringen - Geld für die anderen Bereiche.

Dafür braucht es allerdings noch Ideen. Und die sollen bald durch einen Wettberwerb gesucht werden. Jede/r kann mitmachen. Im Februar soll offiziell ausgeschrieben werden, was die taz heute schon weiß: „Kennen Sie auch Dinge, die anders sein könnten, als sie sind? Werkzeuge, die besser sein könnten? Dienstleistungen, die fehlen?“ Ob gemalt oder als Modell, schriftlich oder mündlich, jede Idee wird angenommen und geprüft.

Preise wird es keine geben, dafür aber will man versuchen, Gelder locker zu machen, um die besten Ideen zu verwirklichen. Ziel ist es, jene ernstzunehmen, die sonst nie gefragt werden, oder ihren Arbeitgebern Verbesserungsvorschläge für ein Butterbrot verkaufen müssen.

Wie der Ideenwettbwerb auch ausgehen mag - das Werkstattzentrum ist eine Super-Idee. Die ABMler, die hier vorübergehend einen festen Arbeitsplatz finden und sich gründlich weiterbilden, sind zufrieden. Die Arbeit macht Spaß und erleichtert spätere Bewerbungen in der freien Wirtschaft. Tischlerin Gaby (20) möchte sich sogar selbständig machen. „So'n kleiner Betrieb, vielleicht mit ein paar Leuten zusammen, ich glaube schon, daß ich das schaffe.“ Die Arbeit in der „Rollenden Werkstatt“ liebt sie. „Den alten Leutchen helfen, mit denen reden, sich ihre Probleme anhören - die freuen sich richtig, das macht Spaß!“

Germaine Bortfeldt