: Herr Staatssekretär hat nie gefehlt
■ Szenen eines Untersuchungsausschusses / Staatssekretär Müllenbrock verkauft sich als korrekter Beamter im hellblauen Hemd
Korrekt und gerade sitzt er da, in hellblauem Hemd, dunkelblauen Socken und dunklem Anzug. Die Mimik des Zeugen Staatssekretär Wolfgang Müllenbrock im gestrigen Untersuchungsausschuß zu Vorwürfen gegen den Verfassungsschutz ist von den Presseplät zen aus nicht zu sehen. Er dreht uns den Rücken zu. Auch der Blick nach unten zu den oft verlegen scharrenden Füssen gibt diesmal nichts her. Selbstsicher, alert und egozentrisch, um eine druckreife Antwort nie verlegen, ist der Staatssekretär bemüht, von sich das Bild eines pflichtbewußten braven Beamten zu zeichnen.
Seit zwanzig Jahren sei er nun schon im Dienste der Justiz tätig und habe sich dabei nie „pflichtwidriges Verhalten zuschulde kommen lassen“. Er sei vielmehr „immer getreu für das Wohl des Landes Berlin eingetreten“. Mehr noch: „Ich habe in meinen ganzen 20 Jahren keinen einzigen Tag gefehlt.“ Auch über seine „zeugenschaftliche Pflicht“ sei er sich bewußt, beteuert er. „Ich darf nicht werten“, weiß er, und tut es dann doch. Die Verfassungsschützer sind „rechtschaffene Beamte, die dort nach Recht und Gesetz arbeiten“ - genau wie er.
Etwas pathetisch wird unser guter Mann vom Innensenator, als ihm der AL-Abgeordnete Wolfgang Wieland zu entlocken versucht, daß er bereits als Staatsanwalt ein ganz besonders gutes Verhältnis zum Verfassungsschutz gehabt habe. „Ich bekenne mich dazu“, tönt es da, „daß jeder Beamte jederzeit Gelegenheit haben wird, sein Herz bei mir auszuschütten. Dazu bin ich mir nicht zu fein.“ Vorzugsweise könnten das die Beamten zwischen sieben und acht Uhr morgens.
Nur leicht indigniert, verbessert er die Fragenden: „Nein, Herr Dr.Meisner“, belehrt er den SPD-Abgeordneten, „es ist keine Akte verschwunden, sondern es ist eine Akte vernichtet worden.“ Etwas verwirrt reagiert er auf Fragen der FDP -Abgeordneten Schmid-Petry, die voller Andeutungen stecken und die zunächst niemand versteht, der die Beratungen in den nicht-öffentlichen Sitzungen nicht kennt. „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir einen Hinweis darauf geben würden, zu welchem Komplex ich eigentlich befragt werde.“ Gleich darauf entschuldigt er sich wieder. Er sei vielleicht „ein bißchen emotional“ gewesen, meint er, aber das sollten die Abgeordneten ihm doch bitte nachsehen. „Schließlich werde ich vereidigt.“
Zwei Stunden lang gelingt es den fragenden SPD-, AL- und FDP-Abgeordneten nicht, den Herrn Staatssekretär mit ihren eher moderaten Fragen aus der Fassung zu bringen. Es scheint, als hätte die Opposition resigniert angesichts der Art der Antworten. Der Umgangston ist so höflich, als plaudere man über Küchenrezepte. Ganz im Gegensatz zu seinem Chef Kewenig, der sich seine Fettnäpfchen immer selbst aufstellt, ist Wolfgang Müllenbrock, der sich bereits äußerst diensteifrig zu Hausbesetzerzeiten an den Ort der Räumungen begab, heute zu selbstsicher, um sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Nicht ungeschickt leugnet er nicht einmal, daß davon die Rede war, einen V-Mann in die taz zu schleusen. Das sei durchaus erwogen, aber nicht in die Tat umgesetzt worden.
Eine Stunde lang wird Müllenbrock noch in geheimer Sitzung vernommen. Bei der Befragung von Kurt Neubauer, der in den siebziger Jahren Innensenator war, stellt sich heraus, daß er nichts zu sagen hat - zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Interessant wird seine Aussage erst werden, wenn der Komplex Schmücker-Prozeß jemals behandelt werden sollte (siehe auch Bericht auf Seite 2).
RiHe
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