: Post befördert Neonazi-Propaganda
Die DVU macht per bundesweiter Postwurfsendung gegen Ausländer Stimmung / Postministerium: Alles rechtmäßig / Drei Millionen für das Bundesunternehmen / Kritischen Postboten Repressionen angedroht ■ Aus Dortmund Jürgen Bischoff
Seit Anfang der Woche finden immer mehr Bundesbürger ausländerfeindliche Propaganda in ihrem Briefkasten - in „persönlicher Zustellung durch Ihren Postzusteller“, wie auf dem Umschlag vermerkt ist. Im Vorfeld der Europawahlen verschickt die Deutsche Volksunion (DVU) des Münchner Verlegers Gerhard Frey ('Deutsche Nationalzeitung‘) Propagandazettel mit rechtsradikalen Parolen und einer ausländerfeindlichen und anti-europäischen sogenannten Meinungsumfrage auf vorgedruckten Antwortpostkarten.
Erste Briefe tauchten zum Wochenanfang in Ost-Westfalen auf, inzwischen sind weitere Propagandabriefe in Hamm und Gelsenkirchen, aber auch in Süddeutschland in den Haushalten eingetroffen.
Nach Aussagen des Pressesprechers der DVU und verantwortlichen Redakteurs der 'Deutschen Nationalzeitung‘ soll die Propaganda der Neonazis bundesweit in alle Haushalte geschickt werden. Der Verleger Gerhard Frey nutze damit „einen Postdienst wie jeder andere Bürger“.
Im Bundespostministerium weist man darauf hin, daß die Postwurfsendung ordnungsgemäß befördert werden müsse, denn ein Verstoß gegen den Paragraph13 der Postordnung liege nicht vor. Dieser Paragraph13 regelt, wann Postsendungen von der Beförderung ausgeschlossen werden können. Dies sei nur der Fall, wenn sie gegen das Strafrecht oder gegen „Sittlichkeit und öffentliches Wohl“ verstoßen. Nach Ansicht des Postministeriums sei dies aber bei der Propagandasendung der DVU nicht der Fall. Weder die Paragraphen182 und 186 des Strafgesetzbuches (Beleidigung, bzw. üble Nachrede) seien verletzt noch der Paragraph86 („Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen“).
In einem internen Fernschreiben hat das Ministerium am Dienstag alle zuständigen Postämter darauf hingewiesen, daß die Postwurfsendung zugestellt werden müsse.
Postboten, die sich - wie in Gelsenkirchen - dagegen wehrten, diese Handlangerdienste für Neonazis zu leisten, wurden nicht nur disziplinarische Strafen, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen angedroht (Postunterdrückung). Bernd Steinmann, Pressesprecher bei der Deutschen Postgewerkschaft, verweist darauf, daß dies nicht der erste Fall ist, wo Wahlpropaganda der DVU durch deutsche Postbeamte ausgetragen werden mußte. Schon im vergangenen Jahr warben die Rechtsradikalen im Vorfeld der Bürgerschaftswahl in Bremen auf diese Weise. Auch damals schon hätten Proteste der Postler gegen den Zustellungszwang nichts genützt. Steinmann: „Wir haben schon damals das Bundespostministerium darauf aufmerksam gemacht, wenigstens für die Zukunft die Bestimmungen in der Postordnung so zu ändern, daß derartige Post nicht mehr befördert werden muß. Das Postministerium blieb untätig. Der Schwarze Peter liegt jetzt bei den politisch Verantwortlichen im Bundespostministerium.“
Die DVU berichtet von einer gewaltigen Resonanz der Aktion. Bei 25 Millionen Exemplaren der Wurfsendung a 12 Pfennig Porto hat die Organisation die Einschaltung der Bundespost drei Millionen Mark gekostet. Beigelegt wurden nicht nur politische Pamphlete, sondern, wie es in der gewöhnlichen Wirtschaftswerbung üblich ist, auch ein Bestellzettel mit „Werbegeschenk“ ('Ein einmaliges Geschenk für Sie!‘): eine Schallplatte mit allen drei Strophen des Deutschlandliedes. Weitere „wohlfeile Artikel“: Aufnäher („Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein“), Programme der DVU und der „Initiative für Ausländerbegrenzung“.
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