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Warum es in Berlin keine Automatenklos gibt

■ Beim Elektroklo hört die deutsch-französische Freundschaft auf / Streit zwischen Berlin und Pariser Unternehmen / Franzosen sind der Meinung, der Metropole Berlin fehle das Automatenklo / Berliner Firma Wall erprobt jetzt Eigenentwicklung / Wall: „Ein harter, bitterer, langer Weg“

In den Straßen von Paris stehen die Automaten-Klos schon seit 1979, seit 1983 sind sie auch in deutschen Städten aufgebaut. Wer das Häuschen betreten will, wirft 50 Pfennig ein. Beim Pinkeln begleitet den Insassen Musik; hat er die Kabine verlassen, kippt die Kloschüssel mitsamt dem Boden zwecks Säuberung nach hinten.

Der Hamburger Senat stellte schon 1983 einige der Elektrotoiletten auf. Zwischen den Partnerstädten Paris und Berlin dagegen hört die deutsch-französische Freundschaft bei den Automatenklos auf. „Berlin ist eine Metropole, hat aber immer noch keine automatischen Toiletten“, klagt Jean -Francois Decaux, Juniorchef der Pariser Aktiengesellschaft J. C. Decaux, die die Anlagen herstellt. Mehrmals habe er seine sauberen Häuschen bereits in Berlin vorgestellt, doch vergeblich. Glaubt man Hans Wall, dem Chef der in Spandau ansässigen Wall GmbH, dann ist Berlin jetzt auch soweit. Wall: „Es war ein langer, bitterer, harter Weg.“ In jahrelanger Arbeit habe seine Firma nun ein eigenes Automatik-Klo entwickelt, das erste aus deutscher Produktion. Georg Fischer, Chef der Berliner Stadtreinigung (BSR) hat sich den „Prototyp“ vor einigen Tagen schon zeigen lassen. Fischer ist durchaus interessiert. In der Fußgängerzone Wilmersdorfer Straße soll das „Hightech -Produkt“ (Wall) erprobt werden. Monsieur Decaux mag es noch nicht glauben: „Der Wall sagt seit Jahren, er habe sie fertig.“

Der Hintergrund des Streits zwischen Berlin und Paris hat zu tun mit den Wartehallen, die die Firma Wall seit 1984 an Berliner Bushaltestellen aufstellt. Die Firma baut und montiert die Hallen auf eigene Kosten und finanziert die Häuschen, indem sie beleuchtete Werbetafeln an den Seitenwänden vermietet. Wartehallen dieser Sorte produziert auch die Firma Decaux. Doch als sich die BVG 1984 entschied, Wartehallen von einem Privatunternehmer aufstellen zu lassen, erhielt der Newcomer Wall (Jahresumsatz heute: 15 Millionen Mark) den Zuschlag, nicht Decaux (500 Millionen Umsatz). Wie es damals zu der Entscheidung für Wall und gegen Decaux gekommen war, ist bis heute nicht restlos geklärt.

In einem anonymen Brief, der schon im August der Staatsanwaltschaft zugegangen war, wurde erneut Korruptes vermutet. Betriebesenator Wronski, so der Vorwurf einer anonymen „Aktion Sauberkeit in Berlin“, habe einen „Vorvertrag“ mit der Firma Wall abgeschlossen. Der Senator, der nach den Wahlen ausscheidet, soll demnach Geschäftsführer bei Wall werden, „im Hinblick auf seine Dienste zugunsten der Firma Wall“ heißt es in dem auch der taz vorliegenden Brief.

Merkwürdigkeiten hinter der Entscheidung für Wall hatten vor zwei Jahren bereits die Oppositionsparteien vermutet. Dem Rechnungshof war dann 1988 aufgefallen, daß Wall mit der BVG Konditionen vereinbart hatte, die den städtischen Verkehrsbetrieben relativ wenig vom Gewinn übrig ließen. Die BVG habe „nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft“, klagten die Haushaltskontrolleure. Was laut Vertrag von Wall verlangt wurde, blieb überdies, so schrieb der Rechnungshof, „in allen wesentlichen Punkten - z.T. deutlich - hinter den Leistungsvorstellungen ... zurück“, die der Senat zuvor formuliert hatte. Der seinerzeit für den Vertrag mitverantwortliche BVG-Direktor Joachim Piefke erhielt nach seiner Pensionierung - oh Wunder - von Wall einen Beratervertrag.

Verboten sind solche Praktiken nicht. Unternehmer Hans Wall findet sie auch gar nicht anrüchig. Die Konkurrenz bei Decaux habe ja auch die Rückendeckung von Jacques Chirac, dem Pariser Bürgermeister. Chirac hatte Diepgen letztes Jahr bei dessen Paris-Besuch Decaux-Motorräder vorgestellt, mit denen sich der Hundekot von den Straßen sammeln läßt. Auch die jüngsten Vorwürfe gegen Wronski lassen sich nicht belegen. Mehrere Angaben in dem anonymen Brief sind zudem falsch. „Wer das geschrieben hat, kann kein Insider gewesen sein“, sagt Hans-Joachim Nakoinz, bis Oktober 1988 Chef der BVG-Tochter VVR Berek. SPD-Mitglied Nakoinz ist von Haus aus kein Freund von Wall. Die für Werbung zuständige BVG-Tochter erlitt nach dem BVG-Abschluß mit Wall jährliche Einnahmeverluste von über einer Million Mark. Fälschlich behaupten die Briefschreiber - laut 'Spiegel‘ Kripobeamte die VVR Berek sei vor dem Wall-Vertrag für die Wartung der Wartehallen verantwortlich gewesen. Auf Piefkes „Betrieben“ seien Werbeaufträge von Berek zu Wall „übergegangen“, heißt es in dem Brief weiter. „Quatsch“, sagt Nakoinz heute.

Übrig bleiben die Vorwürfe des Rechnungshofes an BVG und Betriebesenator Wronski: Alternativen zu dem Wall-Angebot seien nicht geprüft, der Markt nicht hinreichend erkundet worden - etwa die Angebote von Decaux. Heute begründet BVG -Sprecher Hecht den ungünstigen Vertragsabschluß mit Wall damit, daß der Unternehmer keine Erfahrungen in Städten der Größe von Berlin gehabt habe. „Das war für Wall ein Start ins Ungewisse“, sagt Hecht. Der Hamburger Senat dagegen hatte mit eben diesem Argument 1982 Decaux den Zuschlag gegeben. Die Franzosen hatten mit ihren Hallen schon Städte wie Paris oder Brüssel möbliert.

Erst seit Wall Berlin erobert hat, macht er Decaux ernsthafte Konkurrenz. Düsseldorf und Karlsruhe sind in seiner Hand, in Essen tobt der Wettbewerb der beiden Firmen noch. Auf eben diesen Effekt hatte der Senat nach Meinung von Eingeweihten gesetzt. Ein Argument für die Beauftragung von Wall fand nämlich auch der Rechnungshof „vertretbar“: Der Unternehmer hatte zugesagt, seinen Firmensitz samt Produktion vom badischen Ettlingen nach Berlin zu verlagern. 140 Arbeitsplätze versprach der baden-württembergische Häuslebauer dem Senat. Bislang sind es erst 80, fast ebenso viele, nämlich 60 Personen, beschäftigt Decaux in Hamburg. Doch mit der Toilettenproduktion will Wall jetzt groß rauskommen. 50 neue Stellen verspricht er zu schaffen.

Daß Decaux mit seinen Kompaktklos in Berlin nicht zum Zug kam, ist da nur logisch, meinen Insider. „Die warten auf die Wall-Toilette“, lästert ein Eingeweihter. Mit BSR-Hilfe habe Wall seine High-Tech-Toilette produziert, bestätigt BSR-Chef Fischer. Protektion für Wall soll es dennoch nicht gegeben haben. Decaux habe „als Marktführer“ ungünstige Verträge angeboten. Mindestens zehn Häuschen hätte die BSR zur Probe abnehmen müssen, sagt Fischer. Die 38.000 Mark, die die Stadt pro Kabine jährlich an Decaux überweisen müßte, übersteigen außerdem angeblich die Kosten, die die herkömmlichen Pinkelbuden verursachen.

„Gute Produkte brauchen ihre Zeit“, sagt Hans Wall. Er erinnert an das achtjährige Mädchen, das 1981 in einer Decaux-Toilette den Tod fand: Als der Boden nach oben schwenkte, war sie noch in der Kabine. Walls Toilettenboden dagegen bleibt auf dem Boden. Weiterer Vorteil der Wall -Toilette, laut Wall: „Unsere stinken nicht so.“

hmt

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