Zensur im Nahen Osten

■ Etwas über die Macht der Zensur in Ägypten, Israel, Marokko, Irak, Tunesien, Algerien

Man sagt, daß im Nahen Osten die Zensur nach dem Militär das zweitmächtigste Werkzeug der Macht ist. Ihre Ausgefeiltheit ist nur noch vergleichbar der Ausgefeiltheit von Waffensystemen, die den Armeen in dieser Region zur Verfügung stehen. Kugeln sind gegen Körper gerichtet, Zensur gegen den Geist. Jeder Staat dieser Region, was immer seine politische Ideologie und Praxis ist, unterhält ganze Armeen von Behörden, deren Aufgabe es ist, Gedanken und Ideen dingfest zu machen, die sich außerhalb der von den Herrschern definierten Regeln bewegen - in jedem Bereich des Lebens und noch im hintersten Dorf.

Einige Regierungen üben Zensur aus gegen das, was sie als kommunistisches Gedankengut bezeichnen, andere säubern ihr Land von moslemischen Fundamentalisten, bourgeoisem Liberalismus oder der Propaganda ihrer Nachbarländer. Ihr Ziel ist immer das gleiche: Absicherung und Dauer ihrer Herrschaft, mit welchen Mitteln auch immer - Gefängnis, Folter und politischem Mord.

Manche Staaten haben es inzwischen nicht einmal mehr nötig, mit Zensur zu drohen, da alle Medien unter strengster Kontrolle sind. Andere greifen zu Zuckerbrot und Peitsche. Einige lassen populäre Journalisten und Schriftsteller in den staatlichen Medien auftreten, die ihre Tugenden rühmen und ihr Loblied singen; dafür werden sie gut entschädigt. Journalisten jedoch, die es wagen, sich gegen politische Unterdrückung auszusprechen und die Regierung zu kritisieren, erregen ihren Zorn; ihnen drohen Gefängnis, Folter und in manchen Fällen der Tod.

Kein Staat im Nahen Osten hat die Menschenrechte als Teil seines Gesetzeswerks zum einklagbaren Recht gemacht, und die wenigen, in denen Freiheits- und Rechtszusicherungen an die Bürger Teil der Verfassung sind, ignorieren sie mit großer Hartnäckigkeit. Wo das Strafrecht Bestimmungen zur Presse und Meinungsfreiheit enthält, dient es in den meisten Ländern dazu, den Informationsfluß eher einzudämmen und zu kontrollieren als ihn zu fördern.

Der Ausnahmezustand, der in Ägypten seit 1981 ausgerufen ist, erlaubt weitreichende Beschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit. Briefe, sämtliche Publikationen, Zeichnungen und Reklamesprüche sind Gegenstand der Zensur vor ihrer Veröffentlichung. Die Regierung hat das Recht, sowohl Publikationen zu beschlagnahmen und zu verbieten als auch Druckereien zu schließen.

Alle Periodika brauchen eine Lizenz - und Lizenzen werden nur an Organisationen und Parteien vergeben, nicht an Individuen. Nach dem Pressegesetz von 1980 ist es eine Gesetzesverletzung, Opposition oder Haß gegenüber staatlichen Institutionen zu schüren und im Ausland falsche oder mißverständliche Informationen zu veröffentlichen, die dem Interesse Ägyptens schaden könnten. Besonders beunruhigt sind Menschenrechtsorganisationen über die erzwungene Einstellung der oppositionellen Zeitung 'Sawt al-Arab‘ und die Zwangsauflösung der Vereinigung der Freunde arabischer Medien, die sie herausgab.

Die Situation der Presse- und Meinungsfreiheit im Irak ist außerordentlich ernst. Ein ganzes Bündel von Gesetzen, Verordnungen und politischen Maßnahmen hat seit 1980 das kulturelle und politische Leben des Landes zerstört. Zensur existiert für alle Publikationen und für die gesamte Presse, die jedoch zu großen Teilen schon zwangseingestellt ist. Vereinigungen von Intellektuellen und Kulturschaffenden sind vollständig unterdrückt, politische Oppositionsparteien zum großen Teil niedergehalten. Strafaktionen wie zum Beispiel auch die Todesstrafe für Personen, die den irakischen Code für Rede-, Meinungs- und Pressefreiheit verletzen, sind häufig.

Viele Journalisten sind im Irak verhaftet worden und befinden sich, wie man glaubt, immer noch in Haft - jedoch gibt es keinerlei Informationen über ihren Aufenthaltsort und die Haftbedingungen. Künstler, Schriftsteller und Intellektuelle werden staatlicherseits als Teil der politischen Maschinerie behandelt und davon abgehalten, eine unabhängige oder der offiziellen Politik gegensätzliche Meinung zu äußern. Sie werden dazu angehalten, in ihren Arbeiten die ideologischen Maximen des Regimes wiederzugeben.

In Marokko ist die Grundlage vorbeugender Restriktion der Meinungsfreiheit ein Gesetz, das alle Zeitschriften und Zeitungen zwingt, eine Lizenz zu beantragen. Das Presserecht gibt dem Innenminister außerdem weitreichende Befugnis für die Beschlagnahme von Zeitungen, deren Inhalt er als „abträglich für die öffentliche Ordnung“ einschätzt. Wenn ein Artikel zudem als Angriff auf die politischen oder religiösen Grundlagen des Königtums angesehen wird, so kann der Innenminister die Beschlagnahme ausdehnen zu einem unbefristeten oder sogar dauernden Verbot der Zeitung oder Zeitschrift.

1981 wurden die oppositionellen Zeitungen 'al-Moharir‘ und 'Liberation‘ verboten; vier weitere Publikationen, 'al -Joussour‘, 'al-Moukadima‘, 'al-Badil‘ und 'Takafa al -Jadida‘, wurden 1984 verboten. Im März 1988 beschlagnahmten die Behörden die gesamte Auslieferung einer Ausgabe der Zeitschrift 'Kalima‘, Grund war ein Artikel über Tourismus und Kinderprostitution und damit zusammenhängend die Gefahr der Verbreitung von Aids in Marrakesch.

Fünf politische Organisationen sind verboten worden, ihre Mitglieder sind entweder im Untergrund oder verhaftet unter der Anklage, „illegale Organisationen gegründet und verbotene Bücher besessen zu haben, die Regierung stürzen und den öffentlichen Frieden stören zu wollen“.

Seit dem Beginn der Intifada hat die Regierung Israels einen beständigen Kampf gegen palästinensische Organisationen geführt. Fast alle palästinensischen Institutionen sind mit der Begründung verboten worden, daß sie die PLO unterstützen beziehungsweise von ihr unterstützt werden. Diese Anschuldigung ist von Palästinensern zurückgewiesen worden, die ihrerseits behaupten, Israel sei zu einer Politik der systematischen Zerstörung grundlegender Einrichtungen ihres Volkes übergegangen. Die Unterdrückung durch die israelische Regierung ist nicht nur gegen politische Organisationen gerichtet, sondern ohne Unterschied auch gegen Wohltätigkeits-, Bildungs-, Kultur-, Sozial- und Forschungseinrichtungen.

Der Angriff gegen palästinensische Medien gilt nicht nur Journalisten, von denen viele verhaftet und in administrativer Haft (ohne Anklage oder Prozeß) gehalten werden, sondern auch gegen Pressebüros, Zeitschriften und Druckereien.

Wichtige politische Veränderungen sind von der neuen Regierung des Präsidenten Ben Ali in Tunesien in Kraft gesetzt worden. Alle politischen Gefangenen wurden freigelassen. Das Pressegesetz, das unter Bourgiba sehr häufig angewandt worden ist, um oppositionelle Zeitungen aufzulösen und alle möglichen Publikationen zu beschlagnahmen und zu verbieten, ist geändert worden, weniger schwere Strafen drohen bei einer Übertretung der Bestimmungen. Die Paragraphen zur Diffamierung sind jedoch beibehalten worden - während Journalisten jetzt also ungestraft die Regierungspolitik kritisieren dürfen, ist eine Kritik am Staatsoberhaupt weiterhin verboten. Fünf Bücher, die unter Bourgiba verboten wurden, bleiben es auch jetzt.

Während der Oktoberunruhen 1988 in Algerien hinderte die Regierung algerische Journalisten an der Berichterstattug in den nationalen Medien. Ausländische Journalisten wurden verhaftet, manche verhört, Kameras und Filme beschlagnahmt. Ein algerischer Journalist, Ali Bemchich, wurde von Soldaten getötet, als er versuchte, von den Unruhen in der Hauptstadt zu berichten. Vor kurzem haben etwa 100 Journalisten eine unabhängige Gewerkschaft gegründet, sie fordern die Änderung des Pressegesetzes, unter anderem das Recht von Individuen, Zeitungen herauszubringen, und den Status von Journalisten zu verändern, das heißt ihren Status als Staatsangestellte abzuschaffen. Der Parteitag der FLN wird sich mit diesen Forderungen beschäftigen.

Saeed Ramadane

Saeed Ramadane ist Nahost-Experte der britischen Menschenrechtsorganisation „Article 19“ und von 'Index on Censorship'