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22 Boxen für West-Traber auf Gestüt der DDR

■ Gespräch mit Walter von Kolpinski, Chef des Trabrenn-Vereins Mariendorf, der die Enge seiner Bahn satt und eine Idee hatte

Walter von Kolpinski, 57, der erste Vorsitzende des Trabrenn-Vereins in Mariendorf (TVM), arbeitet seit über einem Jahrzehnt an einer Vision: Er will für seinen Sport eine Öffnung der Grenzen, eine Öffnung des Ostens. Sein Traum: ein Traber-Festival mit Vertretern aus Ost-Berlin, Moskau, Prag, Budapest, das auf der „Bahn“ in Mariendorf stattfinden soll. Im letzten halben Jahr ist er diesem Ziel einen gehörigen Schritt näher gekommen. In Ost-Berlin wird demnächst ein Vertrag unterschrieben, in dem eine sensationelle Partnerschaft perfekt gemacht wird. Ab dem 1. Mai werden erholungsbedürftige Traber aus Mariendorf auf einem Gestüt in Damsbrück (DDR, 6 km von Staaken) ihre Ruhe und ihren Auslauf finden. Tierärzte, Stallburschen und Personal aus der DDR werden dort mit Fahrern, Trainern und Besitzern aus West-Berlin zusammenarbeiten. Wie es dazu kam und welche entscheidende Rolle das Thema „Pferdemist“ dabei spielte, erfuhr die taz in einem Interview.

taz: Herr von Kolpinski, seit langem pflegen Sie gute Kontakte nach Karlshorst, der Trabrennbahn in Ost-Berlin. Doch konkrete Ergebnisse in Sachen Annäherung hat es nie gegeben. Nun dieser Durchbruch. Wieso?

v.Kolpinski: Es war eine Kette von Glück und Zufall. Ausgangspunkt, ob Sie es glauben oder nicht, war die Pferdemist-Entsorgung der Trabrennbahn in Mariendorf. Unser Vertragspartner, der die Pferdeäpfel nach Westdeutschland brachte, dort kompostierte und an Champingon-Züchter weiter verkauft hatte, wollte plötzlich nicht mehr. Und wir wußten nicht mehr weiter. Mit diesem Problem habe ich mich dann an den Außenhandelsbetrieb Nahrung in Ost-Berlin gewandt und offene Ohren gefunden.

Aber Pferdeäpfel und eine Pension für Traber sind doch zwei Paar Schuhe...

Im Laufe eines Gesprächs mit den zuständigen Herren dort, habe ich meine Träume und Ziele dargelegt. Wie gesagt, erst der Pferdemist - unser dringlichstes Problem - dann kamen andere Sachen auf den Tisch. Und das interessante ist: die Idee mit Dambrück kam zwar prinzipiell von mir, der konkrete Vorschlag wurde jedoch von Ost-Berlin gemacht. Ganz besonders habe ich mich über die Schnelligkeit der Abwicklung gewundert. Als ich noch gar nicht damit gerechnet hatte, standen hier zwei Herren mit fertigen Verträgen vor der Tür. So einfach war das.

Zur Praxis. Was konkret soll in Damsbrück geschehen?

Vorweg: das Gestüt dort liegt in einer Zuckerlage, wirklich vom Feinstem. Es sind insgesamt 22 Boxen, in denen Pferde stehen können. Ganz wichtig sind die grünen Wiesen, wir in Mariendorf leiden ja an der Enge der Arbeitsmöglichkeiten. Zur Anlage gehört auch eine Trainingsbahn und Personal, das, so ist mein erster Eindruck, fachlich ganz ausgezeichnet arbeitet. Was geschehen soll? Die Pferde sollen sich erholen, Auslauf haben und fachmännisch an Rennen herangeführt werden. Um all diese Sachen machen zu können, mußten die Berliner bisher über 300 Kilometer nach Westdeutschland fahren. Wer tut das schon gern? Bald haben wir ein solches Zentrum vor der Tür.

Was kostet denn der Spaß?

Monatlich etwa 10.000 Mark. Dazu muß übrigens gesagt werden, daß ich als Vorsitzender des Trabrenn-Vereins das Risiko nicht übernehmen konnte. Deshalb wird auch Herr Petrik, der den größten Stall in Mariendorf hat, dieses Geschäft machen. Aber das ist eigentlich nur nebensächlich. Wichtig ist der Schritt an sich.

Und wie sieht es mit den Grenzformalitäten aus?

Alle Trainer werden ein Dauervisum bekommen. Anders geht es nicht. Und weil ich genau weiß, wie schwierig manchmal der Umgang mit Zöllnern bei außergewöhnlichen Sachen ist, werde ich bei der ersten Fuhre nach Damsbrück selbst dabei sein. Meine Gesprächspartner in Ost-Berlin haben mir versprochen, uns auf der anderen Seite abzuholen. Wenn es erst einmal geklappt hat, wird es keine Probleme mehr geben.

Was sind denn die nächsten Ziele des Traber-Chefs?

Wenn es um Ost-Berlin geht: Dort kann man mit allen Leuten offen und ehrlich sprechen. Sie hören zu. Das Problem ist, und da gibt es keine Unterschiede zwischen uns und ihnen: Jeder Gesprächspartner hat immer noch einen Vorgesetzten. In der Kette der Hierachie muß nur einer dagegen sein, und schon ist eine Idee gestorben, mag sie auch noch so toll sein. Trotzdem gefällt mir die, sagen wir mal, Politik auf unterer Ebene. Da ist man nicht so steif. Wenn erstmal richtige Politiker im Spiel sind, wird plötzlich alles so kompliziert. So staatstragend. Wir machen weiter, ohne Senat, ohne Partei, ohne Alliierte. Solange es geht. Die Ziele: Mir schweben zum Beispiel weitere Gestüte vor. Und die Zucht. Daran wird man besimmt auch in Karlshorst großes Interesse haben.

Weil DDR-Traber meistens hinterher laufen?

So würde ich das nicht sagen. In Karlshorst wird technisch hervorragend gearbeitet. Es fehlt nicht an Wissen oder Diziplin, sondern an frischem Nachwuchs. Seit 35 Jahren gibt es in der DDR keine importierten Deckhengste. Daran läßt sich doch etwas ändern. Außerdem: Wenn die dort drüben erstmal Traber haben, die hier in Mariendorf mithalten könnten, wäre eine Teilnahme an Rennen hier wohl ein weitaus geringeres Problem.

Wie kamen Sie denn darauf?

Das ist doch ganz einfach. Natürlich haben Trainer und Fahrer aus Ost-Berlin größeres Interesse, in Mariendorf zu starten. Allerdings. Im Moment haben die vielleicht Angst, sich zu blamieren. Außerdem wollen die doch auch an die Siegerprämien ran.

Holger Schacht

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