K O M M E N T A R Kein Kommentar

■ Bremer Öffentlichkeit '89, weiblich (s.S.19)

Stellen Sie sich vor, Sie wären Autorin und hätten sich - es ist eine Lesung zum „Deutschen Herbst“ - literarisch so erfolgreich ins Innerste des inhaftierten RAF-Mitglieds Irmgard Möller eingefühlt, daß zwei Gäste, die wegen ihrer Erfahrungen mit der RAF eingeladen sind, unter Protest den Raum verlassen. Was würden Sie tun? Würden Sie denken, daß gekränkte SympathisantInnen eh‘ kein Maßstab sind, würden Sie auf jeden Fall weiterlesen und auf keinen eine Frage stellen, und es kann ja rausgehen, wer's nicht paßt? Und würden Sie als Moderatorin dazu vor allem Schweigen bewahren? Und stellen Sie sich vor, die protestierenden Gäste kämen auch noch wieder rein und sagten, daß sei Pornographie, was Sie da verlesen hätten und ermangele des Respekts vor der Person, in die Sie sich da eingefühlt haben, würden Sie nicht auch als Zuhörerin, erst recht aber als Veranstalterin und als Autorin, die nur das Allerbeste, nämlich Literatur gewollt hat, darauf mit keiner Silbe antworten? Würden auch Sie sicher wissen, daß Pornographie ohnehin nur Männer machen und konsumieren und Literatur von Frauen per definitionem keine ist? Wenn Sie das alles meinen, dann hätten Sie in die weibliche Öffentlichkeit auf der Bremer Literarischen Woche gepaßt. Uta Stolle