Umweltschutz nicht so wörtlich nehmen

■ Umwelttechniker an der TU streiken bis heute konsequent / Seit Institutsgründung kommen Umweltschutz und Schadstoffvermeidung im Lehrplan noch immer kaum vor / Zweiter Teil der Serie „Aus den Fachbereichen“

Ein Bekannter hatte Petra schon gewarnt: „Halte dich nicht an dem Wort Umweltschutz fest, hier wird Technik großgeschrieben!“ Nach fünf Semestern Studium am Institut für Technischen Umweltschutz (ITU) kann Petra das nur bestätigen: „In den ersten vier Semestern hörst Du von Umweltschutz gar nichts. Und in den Semesterferien fährst Du dann nach Hause, und dann heißt es: Wie ist das denn nun mit Buschhaus? Wie, du studierst doch Umweltschutz!?“

Am 7.Dezember letzten Jahres wurde das Institut besetzt und programmatisch in Chico-Mendes-Institut umbenannt. Die Umwelttechniker gehören zu den Fachbereichen der TU, an denen der Streik bislang am konsequentesten durchgeführt wurde. Die Blockade der Institutsgebäude dauert bis heute an. Dieser Unmut hat jedoch auch eine lange Vorgeschichte.

Schon seit Jahren werfen nicht nur die Studenten dem Institut Konzeptions- und Perspektivlosigkeit vor. So äußerte der Vorsitzende der Kommission für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, Hans-Jürgen Ewers, anläßlich des zehnjährigen Insitutsjubiläums im letzten Jahr, man habe das Gefühl, nicht auf einer Jubiläums-, sondern auf der Gründungsveranstaltung zu sein. So wenig feste Konturen habe das Institut im Laufe seines Bestehens entwickelt. Dabei ist es das einzige Unversitätsinstitut dieser Art in der Bundesrerpublik. Der Andrang der Studienbewerber ist entsprechend hoch. Studienplätze werden inzwischen nur noch nach numerus clausus vergeben.

Am Institut für Technischen Umweltschutz sind sechs Professoren mit den Arbeitsgebieten Luft- und Wasserreinhaltung, Abfallwirtschaft, Umweltchemie und Wassersiedlungsbau vertreten. Der Arbeitsschwerpunkt, so die Kritik der Studenten, liege vor allem auf Nachsorge und der quantitativen Erfassung von Umweltschäden und Schadstoffen; alternative Strategien - etwa im Bereich der Abfallwirtschaft - würden nicht diskutiert. Die Studenten wollen aber nicht nur lernen, wie etwa am Beispiel der Müllverbrennungsanlage Britz geschehen, den anfallenden Müll zu berechnen, sondern auch Müllvermeidungskonzepte zu entwickeln. Kritisiert wird auch, daß das Institut keine Stellung zu aktuellen Umweltpoblemen beziehe: „Da sterben die Robben, und unser Prof sagt: 'Tut mir leid, ich kann dazu nichts sagen, ich beschäftige mich gerade mit der dritten Klärstufe.'“

Inzwischen liegt ein detaillierter Forderungskatalog auf dem Tisch, über den zur Zeit mit den Professoren verhandelt wird. Kernstück ist die Einrichtung einer interdisziplinären Koordinationsstelle, die als Schnittstelle zwischen Uni und Öffentlichkeit fungieren soll. Weiterhin fordern die Studenten Freiraum für alternative Lehr- und Lernformen und die Einrichtung eines neuen Fachgebiets für Ganzheitlichen Umweltschutz.

Diesen Forderungen steht die Unileitung nach Aussage des zuständigen Vizepräsidenten Steinmüller im wesentlichen positiv gegenüber. TU-Präsident Fricke hat den Studenten bereits drei wissenschaftliche Mitarbeiter- und einige Tutorenstellen zugesagt. Deren Aufgabe soll es sein, im kommenden halben Jahr konkrete Konzepte für die Umsetzung der oben genannten Bereiche zu entwickeln.

„Gewisse Defizite“, wie sie die Studenten einklagen, werden inzwischen auch vom Dekan des Fachbereichs, Heinz Wagner, eingestanden. Zwischen den Erwartungen der Studenten und dem Lehrangebot des Instituts bestehe seit längerem eine deutliche Diskrepanz. Man habe deswegen die Gründung eines neuen Insitituts für Umweltwissenschaften, etwa mit dem Schwerpunkt Umwelt und Politik oder Umweltmanagement, angeregt. Daß das Institut für Technischen Umweltschutz möglicherweise aufgelöst werde, sei jedoch nur ein Gerücht. Kein Gerücht ist dagegen, daß die Studenten am kommenden Montag entscheiden werden, ob sie sich mit den Ergebnissen der Verhandlungsrunden zufrieden geben. Bereits jetzt wird in der besetzten „Abfallhalle“ jedoch über alternative „ITU -Vermeidungsstrategien“ nachgedacht.

Frauke Langguth