: Rote Sterne am Westpophimmel
■ FABRIK, CVJM und Coca Cola bieten uns Montag und Dienstag im „Modernes“ ein Sechserpack sowjetischer Underground-Bands / UdSSR-Pop auf West-Tournee
Das ist großartig. Coca-Cola, diese Ikone amerikanischen Handelsimperialismus‘, heftet sich den roten Stern an den Kapitalisten-Frack, sagt demnächst wahrscheinlich „Nastrowje“ (falls man das so schreibt) zum tiefen Schluck von der westlich-freien Zuckerbrühe und gewinnt Michail Gorbatschow für den Werbekrieg gegen Pepsi. Vorläufig aber sponsort Coca Cola erstmal (mit Jever-Light und Prince of Denmark) die West-Tuornee eines ganzen Schwungs sowjetischer Rock-, Punk-, Funk-und hauptsächlich Underground-Bands. Hamburgs FABRIK und der CVJM haben sich das zeitgeistige Kulturaustauschspektakel ausgedacht. Die am liebsten pro letarischen Intellektuellen Massen (?) Deutschlands (??) werden ihnen zu Füßen liegen.
Montag und Dienstag kommen die Russen im Band-Dreierpack ins „Modernes“. Die Damen und Herren der von Prinzessin Perestroika und Graf Glasnost wachgeküßten Szene sollen angeblich voller Aufbruchs-Euphorie, ironisch und frivol auch sein. Schließlich müssen die Pop-und Punk-Helden aus Moskau und Leningrad den „Freunden im Westen“ erstmal beweisen, daß sie keineswegs West-Standards hinterhertrödeln wie die Kleidermoden im Deutschdemokratischen.
Zum Beweis treten an: Am Montag, 6.2., ab 19.30 Uhr Auktion, Veschlinj Atkaz („Höfliche
Ablehnung“) und Zvuki Mu, und am Dienstag, 7.2. - Va-Bank, Katja Surchikova und Brigade S. Im Pressematerial zu den mir natürlich restlos unbekannten Künstlern findet man so lustige Informationen wie: „Auktion“ sind Mitglied des Leningrader Rock-Clubs, einer staatlich (!) geförderten Band -Vereinigung, die unbedeutenderen Gruppen trotz staatlicher (!) Zensur Auftritte ermöglicht. Der Frontmann und immer wieder Neu-Begründer der karnevalmäßig kostümierten Mini -Spektakel-Kappelle heißt ausgerechnet Leonid Fjordorov, und einen extra Tänzer (Vladimir Vesjolkin) haben sie auch. „Höfliche Ablehnung“ hingegen beschäftigen ein paar
Dichter für die Texte und sind ausgesucht lyrisch und traurig. Schnief (in Moll). „Brigade S“ gehört dem ehemaligen Fabrikarbeiter Igor Sukatschow und zur ersten privaten Musikproduktionsgesellschaft der UdSSR, dem „Stas Namin Music Center“. Sukatschow nennt seine Kapelle auch gern „Orchester für proletarischen Jazz“. Es wird also getrötet. Katja Surzhikova ist „charmant und artistisch“, d.h. man achte nicht so sehr auf die Stimme und mehr auf die „Originalität des Auftritts“. „Va-Bank“ machen „Rhythm'n'Punk“ und waren auf dem „Festival der Hoffnungen 87“. Und „Zvuki Mu“ spielen West-Beat. Wir sehen uns beim Vodka.
Petra Höfer
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