piwik no script img

In Treue zu Kunze

■ Je tiefer sein Stern im Delmenhorster Sumpf versinkt, desto stärker stützen die Stadtoberen den Amtsleiter Kunze / Nahmen noch weitere Beamte Schmiergelder?

Mehr denn je halten seine Vorge

setzten zu ihm. Das, obwohl Alfred Kunze, Chef des Delmenhorster Ordnungsamts, in der vergangenen Woche von zahlreichen Zeugen der Bestechlichkeit beschuldigt worden ist. Oberstadtdirektor Schramm sprang ihm jetzt demonstrativ zur Seite: Als Nebenkläger trat er selbst in den Prozeß gegen den Gastwirt Burkhard Klettke ein, der den Vorwurf der Bestechlichkeit zuerst gegen Kunze erhoben hatte und sich seitdem wegen Beleidigung verantworten muß. (s. Taz vom 2.2.)

Am Mittwochvormittag hatte Alfred Kunze nun selbst seinen Auftritt vor Gericht. Er ist 59 Jahre alt, seit 18 Jahren führt der das Ordnungsamt in Delmenhorst. Erwartungsvolle Stille im Saal. Kunze, stämmig, grauhaarig, in erdbraunem Anzug, läßt sich auf den Zeugenstuhl fallen. Seine Aussagen kommen kurz und sicher, wie aus den Schießscharten seines zerknitterten Gesichts.

Der angeklagte Gastwirt Burghard Klettke, so Kunzes Gegenangriff habe eine Kampagne gegen ihn gestartet, weil er seine Nachtschank-Konzession nicht bekommen habe. Aber beim „Inkognito“, da kam der clevere Kunze wieder ins Schleudern. Die eidesstattliche Versicherung

einer Barfrau aus diesem Lokal war ja bisher eine starke Karte in der Hand von Kunzes Gegnern. Die Frau hatte bekundet, daß Kunze dort getrunken habe und mit Frauen ins Separee gegangen sei, und statt Geld seinen Dienstausweis auf die Theke gelegt habe. Kunze vorgestern: Ihm sei eine überhöhte Rechnung ausgestellt worden, und er habe nur die drei Biere bezahlt, die er auch getrunken habe. Um dem Vorwurf der Zechprellerei zu entgehen, habe er sich ausgewiesen. Mit Frauen habe er sich im „Inkognito“ nicht abgegeben, allenfalls habe er mal alleine mit seinem Bier im Separee gesessen. Der gut gelaunte Klettke von seiner Anklagebank herunter: „Was wollten sie da, da kommt man doch erst rein, wenn man einer Frau mindestens einen Picolo ausgegeben hat.“

Die Frau, deren eidesstattliche Versicherung Kunze so schwer im Magen liegt, trat nach ihm in den Zeugenstand. Etwa 50 mal sei Kunze im „Inkognito“ gewesen. Bezahlt habe er nur, wenn die Rechnungen klein geblieben seien. Wenn er Bekannte mitgebracht habe, und wenn Sekt geflossen sei, dann habe er die Rechnungen unbeglichen gelassen.

Schlechte Aussichten also für den Leiter des Delmenhorster Ordnungsamts, aber nicht nur für ihn: Als am Mittwoch mal wieder Kunzes „Spardose“ zur Sprache kam - jenes Modell eines Jahrmarktswagens, in das Gastwirte und Schausteller nach Zeugenaussagen Schmiergelder gesteckt haben - da wies Kunze darauf hin, daß es noch ein zweites Modell in der Amtstube eines Kollegen gebe. Auch Armin Saß, Wirt des Lokals „Körbchen“, entlastete Kunze und ließ dafür dessen Kollegen Grigoleit in einem schlechten Licht erscheinen. Nicht Kunze habe in seinem Lokal unentgeltlich verzehren dürfen, sondern Grigoleit. Warum? „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“. Gab es auch größere Geschenke? Darauf verweigerte Saß die Aussage.

Eins ist nach den letzten Verhandlungstag sicher: Alfred Kunze ist nicht das einzige Schmuddelkind in der Delmenhorster Stadtverwaltung. Ob die Stadtoberen ihm so demonstrativ den Rücken stärken, damit er nicht auspackt?

Die Fortsetzung des life-Krimis können Sie am nächsten Donnerstag lesen. Denn am Mittwoch um 14 Uhr wird die Verhandlung fortgesetzt.

mw

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen