Beamtenehre zäh umkämpft

■ Dritter Verhandlungstag in der Delmenhorster Schmiergeldaffaire / Auch im Chinarestaurant konnten Beamte gratis speisen / Noch viele Zeugen auf der Liste

Ein Riß geht durch Delmenhorst.

Hier die Ankläger, da die Verteidiger des Ordnungsamtsleiters Alfred Kunze, der im Verdacht steht, sich von Gastwirten und Schaustellern schmieren zu lassen. Der Riß geht durch die respektable Anzahl der Zeugen, die in den drei vergangenen Verhandlungstagen ausgesagt haben, der Riß geht ebenso durch die Zuschauer. Verhandelt wird, das verlieren alle Prozeßbeteiligten leicht aus den Augen, nicht etwa gegen Kunze oder gar gegen die Delmenhorster Stadtverwaltung insgesamt. Verhandelt wird gegen den 34jährigen, umtriebigen Kneipier Burkhard Klettke. Der hatte sich 1985 bei Kunzes Vorgesetztem, dem Dezernenten Bernd Müller-Eberstein, über Kunze beschwert. Müller-Ebersteins damals schwer verständliche Reaktion: Strafanzeige gegen Klettke wegen Beleidigung. Nun muß Klettke vor Gericht beweisen, daß er Kunze zu Recht angeschuldigt hat.

Nach drei Verhandlungstagen

kann man sich schon eher erklären, warum die Stadt dem Gastwirt Klettke mit einer Strafanzeige den Mund stopfen wollte. Denn je länger die Beweisaufnahme dauert, desto mehr Beamte geraten ins Zwielicht. So berichtete vorgestern eine frühere Kellnerin des China-Restaurants, daß sie bei speziellen Gästen zwar servieren, nicht aber die Rechnung bringen durfte. Nicht nur bei Kunze und Frau, sondern auch bei einem weiteren Mitarbeiter des Ordnungsamts. In der vergangenen Woche war schon dessen Kollege Grigoleit belastet worden.

Aber die Stadt konnte bei der Verhandlung auch Punkte machen. Friedrich Trumpf, Wurstbudenkönig der Stadt, hatte Kunze am vorletzten Verhandlungstag schwer belastet: Kunze habe Schmiergelder verlangt, wenn es um Standgenehmigungen gegangen sei. Trumpf hatte zur Unterstützung eine Bremer Schaustellerin zitiert. Die habe gewußt, daß Kunze geschmiert

werden müsse, und habe ihm, Trumpf, das gesagt. Vor den Schranken des Gerichts wies sie eine solche Äußerung weit von sich. Allerdings waren sie und ihr Mann noch am gleichen Tag von der Zeugenaussage Trumpfs informiert worden. Von wem? „Von Dieter Lange, einem Zuhörer“, sagte der Mann im Zeugenstand. Lange ist Vorsitzender des Delmenhorster Schaustellerverbandes und ein sehr guter Bekannter Kunzes. Bei der belastenden Aussage Trumpfs war er nicht im Saal. Nach dem Anruf Langes fuhr der Bremer Schausteller sofort nach Delmenhorst und ließ sich in der Stadtverwaltung über den Prozeß informieren. Dann forderte er Friedrich Trumpf über seinen Rechtsanwalt auf, seine Zeugenaussage zu widerrufen.

Die Ehre ihrer Beamten ist der Stadt Delmenhorst also viel wert. Jedenfalls nach außen. Am kommenden Mittwoch um 14.30 Uhr wird der Prozeß fortgesetzt. Mit neuen Zeugen.

mw