: Vom Antikabel-Protest zur Regierungspolitik
■ AL und SPD diskutierten mit Lobbyisten aus Kultur und Medien über „Anforderungen an ein rot-grünes Landesmediengesetz“ / AL fordert Staatssekretär für Medien / Eiertanz der SPD um RIAS-TV geht weiter / Alternative Privatfunker fordern „Planungssicherheit“
Der Medienbereich der Alternativen Liste hatte seine Arme weit geöffnet, und alle waren gekommen: Frustrierte SFB -Journalisten und betuliche Medienpädagogen, emsige Gewerkschafter, alternative Privatfunker und Filmleute. Nach Jahren in einer unter der CDU rasant verflachten und regierungsgefügig umgemodelten Medienlandschaft sahen sie endlich ihre Stunde gekommen. Gern waren sie daher der Aufforderung der AL am Dienstag abend ins Rathaus Schöneberg gefolgt, um ihre „Anforderungen an ein rot-grünes Landesmediengesetz“ - so der Titel der Veranstaltung - zu artikulieren. Ihre Wünsche an das gesetzliche Wunderwerk reichten von der „dezentralen Erweiterung der Offenen Kanäle“ über Videoverleih in Bibliotheken als Rezept gegen die Pornoflut bis hin zum Einspeisungsverbot von Fernsehprogrammen in Computernetze, um dem Überwachungsstaat zu wehren.
Zur Diskussion kam es dann doch bei den eher „großen Themen“, so SPD-Rundfunkrat Diether Huhn. Die Al-Medienigel, noch im letzten Wahlkampf mit radikalen „Weg-mit„-Kampagnen gegen Kabelpilotprojekt und Kommerzprogramme angetreten, schlugen gegenüber 1985 jetzt deutlich den Realitäten angepaßte Töne an. So überraschte sie zum Beispiel mit der Forderung nach einem Staatssekretär für Medienfragen. Für die Anbieter privater Programme forderte die medienpolitische Sprecherin der AL, Alice Ströver, Auflagen, „damit Qualität reinkommt ins Programm“. Über die Einhaltung von Mindestwortanteilen, innerbetrieblicher Mitbestimmung, Quotierung und Werberichtlinien solle ein am öffentlich -rechtlichen Vorbild orientiertes Aufsichtsgremium wachen. „Es ist jedoch“, so Ströver, „noch immer unser Traum, daß es in Berlin ein nichtkommerzielles Freies Radio gibt.“ Dem Geschäftsführer des alternativen Privatsenders Radio 100, Thomas Thimme, ging es vor allem um „Planungssicherheit für uns als kommerzielles Unternehmen“. Mit dem Satz „auch ein Herr Benda schafft Unabhängigkeit“, offenbarte er, daß sich die Alternativfunker mit dem jetzigen Kabelrat offenbar gut arrangiert haben, womit er sich prompt dem Vorwurf des „Linksaristokratismus“ aus dem Publikum aussetzte. „Ein Landesmediengesetz kann nur gemacht werden, wenn es eine rot -grüne Koalition gibt“, schaltete sich SFB-Rundfunkrat Diether Huhn in die Debatte ein. Huhn, der auch Mitglied der Medienkommission beim SPD-Parteivorstand ist, nutzte die krankheitsbedingte Abwesenheit des medienpolitischen Sprechers der Berliner SPD, Detlef Prinz, um genüßlich von Fall zu Fall zwischen seinen Rollen als SPD- und Privatmann zu springen. Zur Al-Forderung „Parteienvertreter raus aus dem SFB-Rundfunkrat“, mit der die Alternativen den Zugriff der Parteien auf den Sender zurückdrängen wollen, tat er die Vermutung kund: „Ich glaube, die SPD wäre da bereit.“ Für wie wenig effektiv er „persönlich“ den Rausschmiß der acht Parteipolitiker aus dem Aufsichtsgremium des SFB halte, illustrierte er an seinem eigenen Beispiel: Vor bald zwölf Jahren sei er als Vertreter der Landesrektorenkonferenz in den Rundfunkrat hineingewählt worden. Jetzt sei er immer noch drin, auf SPD-Ticket. Stark unter Beschuß geriet die SPD an diesem Abend, als es um RIAS-TV ging. Die SPD -Bundestagsfraktion solle endlich die nötigen Stimmen zur Einreichung einer Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Staatsfinanzierung des Regierungssenders liefern. Diese Forderung wurde nicht nur von der AL, die RIAS-TV am liebsten abschaffen möchte, erhoben. Doch Huhn konnte nur den in dieser Frage SPD -üblichen Eiertanz fortsetzen: Er „persönlich“ sei für die Klage. Die Ermunterungen der Berliner SPD an die Genossen in Bonn hätten bisher jedoch nichts gefruchtet. Zu groß sei die Befürchtung, daß bei einer Klage in Karlsruhe ein Urteil herauskäme, das auch den RIAS-Hörfunk in Frage stellt. Zunächst ginge es darum, mit den Alliierten um ein öffentlich-rechtliches Aufsichtsgremium zu verhandeln, „das mehr ist als ein Feigenblatt“.
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