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Werbe-„Müll“ aus dem Fernkopierer

■ 200.000 Telefaxanschlüsse in der Bundesrepublik bieten weites Feld für Fax-Werbung

Stuttgart (dpa) - Im Briefkasten ist sie zu finden, Geisterhände schieben sie unter der Tür durch und geschwätzige Verkäufer schicken sie durchs Telefon. Jetzt kommt sie als neueste Variante auch per Fernkopierer: unverlangte Werbung. In den USA ist diese Art des Marketings bereits zur Plage vieler Telefax-Besitzer geworden und firmiert unter dem bezeichnenden Namen „Müll-Post“. Auch in der Bundesrepublik quillt der erste „Müll“ aus den Faxgeräten. In keinem Land sonst sind die technischen Voraussetzungen so ideal für diese Werbeform: Zu einer rasanten Verbreitung der Telekopierer kommt, daß sie rund um die Uhr empfangsbereit sein müssen und sich ihre Anschlußnummern jedem Fax-Telefonbuch entnehmen lassen.

In den USA, so berichtete jetzt die Fachzeitschrift 'PC -Computing‘, blockiert das Marketing per Telefax bereits empfindlich die Kommunikation von Firmen. „Wenn Sie den Telekopierer einer Firma anwählen, dann ist dies das gleiche, als ob Sie ihn ausschalten“, sagt der Chef einer großen Werbefirma, denn dann ist das Gerät erstmal besetzt. Aber nicht nur, daß die Firmen ihre eigenen Dokumente weder verschicken noch empfangen können, weil dauernd „Müll“ aus dem Telefax quillt - es kostet sie auch eine Stange Geld. Denn ausgedruckt wird die unverlangte Werbung auf dem nicht gerade billigen Telefax-Papier des Empfängers. Je nach Papierqualität kann das mit bis zu 45 Pfennigen pro Seite zu Buche schlagen.

Der Telefax als Werbeinstrument ist eine billige Methode, denn die meisten Firmen, die sie betreiben, sind Ein-Mann -Unternehmen: Moderne Fernkopierer speichern bis zu 200 Adressen, die sie automatisch nacheinander anrufen können. Und die Werbeblätter selbst müssen nicht mehr wie früher für jeden Anruf einzeln und von Hand in die Faxgeräte eingelegt werden, sondern werden aus einem eigenen Textspeicher abgerufen. So kann eine Werbeanzeige ohne jedes Zutun automatisch und zur tarifgünstigen Nachtzeit verschickt werden.

Umstritten ist allerdings der Nutzen dieser neuen Werbemethode. Das 'Wall Street Journal‘ berichtete kürzlich, daß rund zehn Prozent der Empfänger solcher Werbeangebote schließlich auch die darin angepriesenen Waren bestellen. Bei einigen wandert jede Fax-Anzeige sofort in den Papierkorb, andere schicken sie - per Fax - gleich wieder zurück zum Absender und blockieren ihrerseits mit Bedacht dessen Fernkopierer. Selbst der Handel mit Fax-Rufnummern in den USA anders als in der Bundesrepublik nicht in gebundener Form von der Post frei Haus geliefert - ist bereits zum Geschäft geworden. Eine Firma bietet für 100 Fax -Nummern einen Sony-Walkman, eine andere ein ähnliches Werbegeschenk für jeden, der ihr einen Auszug aus der automatischen Rufnummernspeicherung seines Fernkopierers schickt.

In der Bundesrepublik ist der Boom auf dem Markt der Fernkopierer ungebrochen: Zählte die Post im Dezember 1987 noch insgesamt 84.125 Faxanschlüsse, so waren es zum Jahresende 1988 bereits gut 200.000. Für den Gesamtverband der Werbeagenturen ist das Fax-Marketing denn auch ein zukunftsträchtiges Feld, das bisher noch nicht „ausgereizt“ ist.

Die ersten Beschwerdebriefe gegen die unverlangte „Müll -Post“ liegen im Bundespostministerium bereits auf dem Tisch. Bei der Post, so Karl Hellenschmidt von der Oberpostdirektion Stuttgart, „bekommen wir die Fax-Werbung zwar zähneknirschend mit. Machen können wir allerdings nichts dagegen.“ In der Tat ist die Bundespost der falsche Adressat für die Beschwerden. Sie ist dazu verpflichtet, ordnungsgemäße Telekopierer an ihr Netz anzuschließen, und darf auf den Inhalt der Faxübertragungen genauso wenig Einfluß nehmen wie auf den von Telefongesprächen. Und Gerichtsurteile, die sich mit der Werbung via Fax befassen, liegen in der Bundesrepublik noch nicht vor.

Gute Chancen hätte eine solche Klage wohl allemal: Die Richter halten in den letzten Jahren den Schutz der Verbraucher vor unverlangten Werbesendungen hoch. So erklärten sie es zu einem Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht und gegen die Besitz- und Eigentumsrechte eines Briefkastenbesitzers, wenn weiter Werbesendungen in dessen ausdrücklich mit „Reklame unerwünscht“ gekennzeichneten Briefkasten geworfen würden.

Und unerbetene Telefonanrufe, die Geschäftsabschlüsse zum Ziel haben, sind gegenüber Privatpersonen grundsätzlich unzulässig. Auch im geschäftlichen Bereich ist Telefonwerbung nur dann erlaubt, wenn der Werbende davon ausgehen kann, daß der Empfänger damit einverstanden ist, entschied das Hanseatische Oberlandesgericht im Sommer 1986. Die drohende Werbelawine aus dem Fernkopierer könnte also womöglich schnell von den Gerichten gestoppt werden.

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