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DURCHSCHNITTLICHER AMERIKANER

■ „Executioner's Song“ im Kino Eiszeit

Schauplatz: die USA in der späten Carter-Ära. Die Wirkungszeit jenes Reagan-Vorgängers, der Bürger- und Menschenrechte auf die Fahnen seiner besonderen Staatsleidenschaft geschrieben hatte. Zu dieser Zeit wurde nach mehr als zehn Jahren wieder ein zum Tode verurteilter Delinquent hingerichtet. Sein Name: Gary Gilmour.

Bürgerrechtsbewegungen liefen Sturm gegen die anstehende Hinrichtung. Die Todesstrafe war in der öffentlichen Diskussion geächtet. Gleichwohl schickten die Gerichte Dutzende von Personen Jahr für Jahr in die Todeszellen. Allein, die Vollstreckung wurde ausgesetzt.

Gary Gilmour war weder Sacco, Vanzetti oder ein in Suburb -ähnlichen Ghettos aufgewachsener Jugendlicher, dem im täglichen Straßenkampf die Regeln der Gesellschaft in den Kopf geprügelt wurden. Gilmour war ein weißer Kleinstädter, dort, wo sich das gesellschaftliche Leben bei Chips und Dosenbier vor dem Fernsehen abspielt. Ein typischer Amerikaner - eigentlich. We are a free part of a free world.

Norman Mailer wurde von einem New Yorker Verlag angesetzt, die Geschichte Gilmours aufzuschreiben. Er unterhielt sich tagelang in der Zelle mit dem Häftling. Auf der Basis dieses Buches wurde Mailers Drehbuch von Lorenz Schiller adaptiert. Schiller räumt der Vorgeschichte breiten Raum ein: Gary Gilmour lebt in einer unbedeutenden Kleinstadt des Mittelwestens, einer Siedlung im konservativen Zentrum bestehend aus amerikanischen Leichtbaubungalows und Wohncontainern auf Ratenkaufbasis. Chronischer Geldmangel und fehlende Anerkennung begleiten das ganze Leben Gilmours. Seine ausgeprägte Eifersucht bringt ihn immer in Schwierigkeiten mit seiner Freundin, die seine Bevormundungsversuche mit Eigensinn kontert.

Bei einem Raubüberfall erschießt Gilmour mit einer großkalibrigen Pistole zwei Angestellte. Der Film untersucht nicht den Vorsatz. Tot ist tot. Auf sozialromantische Überinterpretationen wie auch auf actionfilmartige Dramatisierungen wird verzichtet. Mit Genauigkeit und Liebe zur detaillierten Schilderung zeigt Executioner's Song den zwangsläufigen Werdegang. Verhaftung, Verhandlung, Verurteilung. Bis dahin ist ungefähr die Hälfte des Films vergangen. Der zweite Teil beschreibt den einsamen Kampf des Gary Gilmour - für seinen Tod. Die Vollstreckung des ergangenen Urteils wurde ausgesetzt. Zum Entsetzen vieler Amerikaner pocht Gilmour auf das Anrecht auf seine eigene Hinrichtung. Er geht vor Gericht, erscheint vor Berufungsjuries. Da unterstellt ihm der Film jene Mediengeilheit, der jedes Mittel recht ist, um in der Öffentlichkeit präsent zu sein. So fragt Gilmour vor dem letzten Gang zur Hinrichtung: „Sind alle Fernsehstationen da, fehlt keine?“ Eine verquere Anerkennungssucht für einen, der zeitlebens gehänselt und verhöhnt wurde und der auf einmal im Rampenlicht steht.

Längst waren die Rechte für die Lebensbeschreibung an besagten New Yorker Verlag gegangen. Zumindest seine Freundin kann mit Hilfe der Tantiemen aus dem stationären Wohnwagen in einen Fertigteilbungalow umziehen; ein sozialer und wirtschaftlicher Aufstieg.

mosch

„Executioner's Song“ ab 9. März täglich im Eiszeit-Kino.

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