Vom Nachttisch geräumt: BARRIKADEN

Am 1. Mai 1929 schoß im Berliner Wedding sozialdemokratische Polizei auf kommunistische Arbeiter. Es gab dreiunddreißig Tote. Klaus Neukrantz schrieb einen Roman über die Ereignisse. Der erschien 1931. Ein Standardwerk der sogenannten proletarisch-revolutionären Literatur, ein Denkmal der Sozialfaschismus-Theorie, die auch ein Stück beigetragen hat zum Sieg des Nationalsozialismus. In den 70ern wurde Neukrantz‘ Buch wieder aufgelegt. Die Gründer proletarischer Parteien fanden Gefallen am grobschlächtigen Satzbau, den stereotypen Beschreibungen und den Haßtiraden gegen die Sozialdemokratie. Das Buch ist vergangenes Jahr noch einmal herausgebracht worden. Mit einem Nachwort von Walther Willmer, der all das und einiges mehr kritisiert an Neukrantz‘ Buch, ohne freilich klarzumachen, was die Lektüre heute empfehlenswert machen könnte. Es sei denn man begnügt sich mit seinem Hinweis, es handele sich um ein „charakteristisches Zeugnis“ für die Sozialfaschismustheorie der KPD. Es ist ein kluges Nachwort, dem man einen besseren Anlaß gewünscht hätte. Ich muß gestehen, ich habe es nicht über mich gebracht, „Barrikaden am Wedding“ noch einmal zu lesen. Ich schäme mich zu sehr meiner kriminellen Dummheiten um 1970. Vielleicht sollten wir die Herausgeber der Oberbaum -Ausgaben einmal darum bitten, über ihre damalige Faszination und ihr heutiges Urteil zu schreiben.

Klaus Neukrantz, Barrikaden am Wedding, Verlag der Buchhandlung Mackensen, Nachwort Walther Willmer, 167 S., 24,80 DM