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So geht es allerdings nicht-betr.: "Als Kapitulanten wären wir schon zusammengelegt", taz vom 6.3.89

betr.: „Als Kapitulanten wären wir schon zusammengelegt“, taz vom 6.3.89

Nachdem mehr als 10.000 Menschen für den neuen Hungerstreik der RAF u.a. mobilisierbar waren, weil die Erklärung dazu Umdenkprozesse erkennen ließ, kommt nun der alte Hut Genfer Konvention (GK) zum Vorschein. Arrogant und verlogen ist dagegen der Brief von Dellwo vom Dezember, weil er genau die Tatsache unterschlägt, und unter vielen Windungen die Unmöglichkeit der Forderung nach Regelvollzug begründet. Allerdings ist von dem Selbstverständnis der RAF, ihren Kampf nur im Zusammenhang mit den Befreiungsbewegungen der Armutsländer gelten zu lassen, dies eine richtige Forderung. Denn die GK ist nicht nur ein internationales Gesetz, sondern gesteht den Kriegsgefangenen auch zu, in einem Lager zusammen zu sein. Allerdings gibt es dazu auch genaue Definitionen, wie zum Beispiel das offene Tragen von Waffen, und natürlich differenzierte Behandlungsweise je nach Rang in der Armee. Denn dort ist die Guerilla auch als Armee definiert.

Es geht der RAF u.a. also nach wie vor um Krieg im internationalen Zusammenhang, und da wird die Sache für die RAF ärmlich. Wenn Mensch sich die Organisationen der internationalen Befreiungsbewegungen einmal genauer ansieht, dann haben sie alle gemeinsam: eine legale politische Organisation, breite Unterstützung in ihrem Volk ihres Landes, sind Nationalisten und Seperatisten, ist die Methode des Guerillakampfes eine von vielen, verfügen ein Teil der Bewegungen über befreite Gebiete, in denen sie Schulen, Krankenhäuser, Wohnungen u.a. für die Bevölkerung erstellen.

Geht letzteres schon alles nicht von den objektiven nationalen Bedingungen her, so fehlen der RAF u.a. allerdings auch die Organisationsformen. Denn ein paar konspirative Wohnungen und Waffen in der Hand machen noch lange keine Guerilla aus. Von der Unterstützung und Akzeptanz der Masse der deutschen Bevölkerung ganz zu schweigen, was der RAF u.a. aber auch stets gleichgültig war. Ihre Massenbasis waren und sind die verarmten der Länder der Dritten Welt, weil in der deutschen Arbeiterklasse eh nichts mehr zu erwarten sei. Da braucht sie dann auf Klassenwidersprüche im eigenen Land auch keine Rücksicht mehr zu nehmen, und internationale Widersprüche zwischen den USA und der EG kommen auch nicht mehr vor, an denen eine Mobilisierung machbar wäre. Das erforderte ja auch tagtägliche Kleinarbeit, und nicht die technisch „großartigen“ Aktionen aus dem Untergrund.

Von der Selbstverständnis der RAF u.a., die also die Anwendung der GK fordern, macht das zwar Sinn, sagt aber auch nur etwas über ihr elitäres Verhalten gegenüber dem Rest der Menschen aus. Regelvollzug und Zusammenkommen mit den anderen Gefangenen würde auch eine andere Politik vermitteln, nämlich das Zusammengehen draußen mit zu entwickelnden Massenbewegungen.

Die Besetzung der einzelnen Büros, ob taz oder Grüne, zeigt doch nur wie unorganisiert die Unterstützer sind. Wenn die RAF u.a. über eine politische Organisation verfügen würden, dann wäre diese Art „Politik“ gar nicht notwendig. Auch das unterscheidet sie von den Organisationen mit denen sie sich identifizieren und die sie so gern wären.

Sich selbst als Kriegsgefangene zu sehen und in einen Zusammenhang mit Befreiungsbewegungen zu stellen, ist nicht nur eine ungeheure Selbstüberschätzung und Realitätsferne, sondern schlägt denen ins Gesicht, die mit ihren Völkern um Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung kämpfen. Ehe die RAF u.a. solche Organisationen sein können, müssen sie noch viel politische Kleinarbeit leisten. Denn nicht mal in der Mehrzahl der Linken der BRD/West-Berlin ist ein Bewußtsein für revolutionäre Veränderungen vorhanden. So wie die RAF u.a. es jetzt machen geht es allerdings nicht.

Dana Kirke, Berlin

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