Revoluzzer

Zur Inszenierung einer Hausbesetzung  ■ K O M M E N T A R

Der „gewaltsame Umsturz der bestehenden politischen und sozialen Ordnung“, die Revolution also, läuft in der Regel nicht unblutig ab. Was wären das für Revolutionäre, die nicht bereit wären, mit ihrem Leben für das zu bezahlen, was sie für menschheitsbeglückende Ideale hielten.

Den BesetzerInnen der Fraunhoferstraße scheint das egal zu sein. Sie reproduzieren als echte Kinder einer Mediengesellschaft Bilder wie aus Videoclips. Zur Freude der FernsehzuschauerInnen ob des wohlig-erschröcklichen Effekts inszenieren sie eine Mischung aus Beirut und Hafenstraße. So hohl und austauschbar die Symbolik und Revolutionsromantik, so lächerlich die Forderung nach einem dachbegrünten, staatsfinanzierten Umsturz ist, so real ist das Dilemma, in das das Verhalten insbesondere die AL stürzt. Daß es sich um ein seltsames Spiel handelt, bei dem die BesetzerInnen die Haßkappen benutzen wie Kinder früher Bettlaken, um als Gespenster mit fürchterlichem Geheul sich Mut und anderen Angst zu machen, ist von der Öffentlichkeit noch nicht richtig registriert worden. Um ein Dilemma handelt es sich auch deshalb, weil absurderweise eine Regierung sich in der Situation befindet, die Interessen von BesetzerInnen zu interpretieren, von dem Kettengerassel zu befreien und sie durchzusetzen versucht. Denn natürlich ist das Gebäude erhaltenswert, und die Frage, ob nun ausgerechnet die Physikalisch-Technische Bundesanstalt die optimale Besetzung für das Baudenkmal ist, ist mehr als berechtigt. Wenn die Revoluzzer genügend Selbstbewußtsein hätten und sie ihre Unsicherheit nicht mehr hinter einem bestimmten Habitus zu verstecken bräuchten, dann hätten sie in der Tat auch einiges ausgelöst. Nicht zuletzt einen sehr schnellen Lernprozeß in der AL: daß Regieren häufig im richtigen Reagieren besteht.

Rita Hermanns