Frankfurt - rot, grün und geheim

Am 7.April will der zukünftige Frankfurter Oberbürgermeister Volker Hauff seine neue Stadtregierung vorstellen / Streng geheime Koalitionsgespräche / Streit bei den Grünen um „Multikulturelles Dezernat“  ■  Aus Frankfurt Reinhard Mohr

Irgendwo im Grünen, streng geheim, verhandeln seit zehn Tagen SPD und Grüne über eine rot-grüne Koalition im Römer. Am 12.März hatten die SPD 40,1 Prozent und die Grünen 10,1 Prozent erhalten, während die seit 1977 regierenden Christdemokraten um 13 Punkte auf 36,6 Prozent abgesackt waren. Die NPD zog mit 6,6 Prozent zum zweiten Mal ins Stadtparlament ein.

Die Verhandlungen mit den realpolitisch orientierten Frankfurter Grünen laufen zügig und geräuschlos. Bis Ende nächster Woche will man fertig sein. Vor allem Volker Hauff drückt aufs Tempo. Er möchte dem SPD-Unterbezirksparteitag am 7.April Programm und Personen der neuen Frankfurter Stadtregierung vorstellen. Zugleich will er, um die CDU zu neutralisieren, einen Christdemokraten im rot-grünen Magistrat haben. Erster Anwärter ist Noch-Bürgermeister Moog, ein blasser Rechtsanwalt. Wenn er im Stadtparlament nicht abgewählt wird, will er Bürgermeister bleiben und seine „Pflicht tun“. Für einen anderen Magistratsposten stehe er nicht zur Verfügung. Um die CDU einzubinden, muß sich Hauff wohl nach einem anderen umsehen, denn die Grünen reklamieren das Amt für ihre Spitzenkandidatin Margarethe Nimsch.

Das erste sichere „Ticket“ hat Tom Koenigs: Der frühere Büroleiter von Ex-Umweltminister Joschka Fischer wird Umweltdezernent. Über die zwei oder drei anderen Dezernate, auf die die Grünen hoffen dürfen, herrscht noch Unklarheit. Streit dagegen ist bei den Grünen über ein Dezernat ausgebrochen, das es noch gar nicht gibt: das „Dezernat für multikulturelle Angelegenheiten“.

Daniel Cohn-Bendit, der diese Idee seit Jahren artikuliert und in Frankfurt (Ausländeranteil 20 Prozent) erster Dezernent für Türken und Portugiesen, Polen und Ungarn, Italiener, Gambianer und Deutsche werden möchte, ist ins Kreuzfeuer grüner Begierden geraten. Zuerst als „Spielwiese“ verschmäht, ist das „Multikulturelle Dezernat“, zumal nach den Erfolgen der Rechtsextremen in Berlin und Frankfurt, zum innerparteilichen Zankapfel geworden. Die über den kommunalen Aspekt hinausreichende Bedeutung des Amtes hat Begehrlichkeiten geweckt. Bei nur drei grünen Dezernaten fiele Cohn-Bendit der Frauenquote zum Opfer. Aber auch bei vier Dezernaten bliebe der Ex-Studentenführer, Noch -Herausgeber des 'Pflasterstrand‘ und Haßliebe-Objekt der Linken, ein Stein grünen Anstoßes: ein „Prominenter“, der für seine Ideen auch in Talkshows werben kann; ein Unruhestifter, Quertreiber und Überflieger dazu. Das läßt auch die SPD zurückschrecken. Sie führt lieber einen humanistisch geprägten Diskurs über die Gefahr von Fremdenfeindlichkeit, als sich vor Ort und quer zu traditionellen Einstellungen offensiv mit ihr auseinanderzusetzen. In den Verhandlungen über Schulpolitik etwa wurde das Thema weitgehend ausgeklammert.

Unterdessen erweist sich Volker Hauff als überraschend souveräner Verhandlungsführer. Auch nach Verhandlungen bis in die Nacht formuliert er noch präzise sozialdemokratische Prioritäten, berichten anerkennend Frankfurter Grüne. Den Grünen gelingt das nicht in gleichem Maße. Mangelhafte Vorbereitung und fehlende Schwerpunktsetzung machen sich bemerkbar. Das Kulturdezernat etwa haben die Grünen aus Angst vor der eigenen Courage gleich der SPD überlassen.

Dennoch sollen die Grünen wichtige kulturpolitische Veränderungen durchgesetzt haben. Statt des vom alten Magistrat geplanten „Römerbergfestivals“ im bisherigen Protz -und-Prunk-Stil soll ein „Frankfurter Stadtfestival“ unter Beteiligung internationaler KünstlerInnen konzipiert werden. Im Frankfurter Ostend will man die Entwicklung zu einem Künstlerviertel fördern - in unmittelbarer Nachbarschaft zu Büros, Wohnungen und Betrieben.

Ob Frankfurts Dauerdezernent und Kulturmogul Hilmar Hoffmann (SPD) bleibt oder geht, ist so ungewiß wie die Namensliste der übrigen DezernentInnen. In einer Woche, wenn das allseitige Schweigen gebrochen wird, muß sich zeigen, ob eine rot-grüne Koalition in Frankfurt auch durch ihre personellen Repräsentanten intellektuelle Kraft und politische Ausstrahlung entfalten kann - womöglich über Frankfurt hinaus.