: Verlag ordert Chemikalien für Libyen
Von Libyen finanzierte Alternativzeitung stieg überraschend ins Chemiegeschäft ein / Neue Connection zwischen Grün-Alternativen und Nordafrika / Chemiefirma lehnte Verlagsanfrage ab ■ Aus Wien Thomas Scheuer
Das politisch fragwürdige Engagement des grünen Bundestagsabgeordneten Alfred Mechtersheimer in der mit libyschen Petrodollars gespeisten „M.A.G. Stiftung für Frieden und Solidarität“ scheint nicht die einzige Verbindung zwischen Exponenten der westeuropäischen grün -alternativen Szene und nordafrikanischen „Spendern“ zu sein. Das ARD-Fernsehmagazin report München schob am Dienstag abend nun einen weiteren „noch interessanteren Skandal“ nach, den das österreichische Nachrichtenmagazin profil schon vor über einer Woche präsentiert hatte.
Seit 1984 macht sich die Monatszeitschrift 'MOZ‘ um die Verbreitung grünen Gedankengutes in der Alpenrepublik verdient. Mit den Partei-Grünen hat das Blatt nichts zu tun, liegt mit der grün-alternativen Liste vielmehr des öfteren im Clinch. Herausgegeben wird die 'MOZ‘ von einer „Grün -Alternativen Verlags-Gesellschaft mbH.“ mit Sitz im Wiener Stadtteil Ottakring. Laut profil-Recherchen fungiert der Verlag, über dessen libysche Finanzierung österreichische Zeitungen schon vor Jahren berichtet hatten (Geschäftsführer sind seit 1986 Mohamed Saleh Musa und Noredin Katabi, beide mit Wohnsitz in Tripols) neuerdings auch als Tarnfirma für branchenfremde Geschäfte.
Im Februar letzten Jahres ließen die libyschen Besitzer den Geschäftszweck des Verlages im Handelsregister umformulieren: Dem „Export und Import von Waren aller Art“, der Exportberatung sowie der Geschäftsanbahnung wollten sich die „Verleger“ fürderhin widmen. Im Impressum ist gleichwohl bis heute nur der alte Firmenzweck nachzulesen.
Welche Geschäfte da angebahnt werden sollen, konnte profil in einem Fall enthüllen, der vor dem Hintergrund der vermuteten Giftgasfabrik in Rabta besonders brisant erscheint: Ende Februar dieses Jahres wurde bei einer österreichische Chemie-Handelsfirma ein Angebot über zwölf größtenteils hochgiftige Chemikalien angefordert. Gesamtmenge immerhin 310 Tonnen! Stutzig machte die Chemikalienhändler, daß ein Verlag als Besteller auftrat. Unterschrieben war die Anfrage, die profil im Faksimile abdruckte, von einem Herrn Anter Natawi. Der rangiert in der Verlagshierarchie nur als Übersetzer.
Die Chemiehändler, die in der Vergangenheit schon wiederholt dubiose Aufträge arabischer Kunden abgelehnt haben, winkten auch dieses Mal dankend ab. Zwar fanden sich auf Natawis Wunschliste keine der acht „klassischen“ Basissubstanzen für die Giftgasproduktion, jedoch andere, höchst brisante Stoffe wie etwa das ebenfalls als Giftgas -Grundstoff einsetzbare Isopropanol oder das Nervengift Dekalin-Dekahydronaphthalin.
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