: Ostspion am Schreibtisch
Wirtschaftsideenklau erlebt starkes Wachstum ■ Mit der MINILEIKA auf Du und Du
Frankfurt (dpa) - Ob Mikroelektronik, Computertechnologie, Lasertechnik oder die neuesten Entwicklungen westlicher Luft - und Raumfahrtingenieure - die Neugier der östlichen Geheimdienste an westlicher Hochtechnologie kennt nach Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes (BND) keine Grenzen. Auch wenn entsprechende Warnungen in den Chefetagen der Unternehmen selten ernst genommen werden - kaum ein Betrieb der High-Tech-Branche ist danach heute noch vor östlicher Wirtschaftsspionage sicher. Allein durch DDR -Spionage entsteht der bundesdeutschen Wirtschaft ein jährlicher Schaden von rund drei Milliarden Mark, wie Aussagen eines übergelaufenen DDR-Agenten belegen.
Der Hauptschauplatz für den Ideenklau im Westen ist seit langem die Bundesrepublik, stellte jetzt der ehemalige Präsident des BND, Heribert Hellenbroich, fest. „DDR-Bürger fallen nun mal im Westen nicht besonders auf - ganz im Gegensatz zu den USA oder gar Japan.“ Der Bundesnachrichtendienst schätzt die Zahl der Ostagenten in der Bundesrepublik auf 2.500 bis 3.000. Rund 60 wurden allein im vergangenen Jahr enttarnt - soviele wie schon lange nicht mehr. „Die Bundesrepublik erlebt zur Zeit einen Boom der Wirtschaftsspionage“, betonte Hellenbroich.
Einen Teil des Wissens, so Hellenbroich, bekämen sowjetische Wissenschaftler bei westlichen Kongressen oder aus Fachzeitschriften. Was wegen der Vertraulichkeit unveröffentlicht bleibe, spionierten Ostagenten vor Ort aus. Dabei sei es eine Illusion zu glauben, hohe Zäune um die Firmengelände und ausgeklügelte Alarmsysteme könnten den Zugriff auf die geheimen Akten verhindern. Der Einbruch in Firmen sei der eher seltene Fall von Wirtschaftsspionage. Hellenbroich: „Der Ostspion sitzt am Firmenschreibtisch manchmal als Manager, häufiger als Entwicklungsingenieur und bisweilen auch als Sekretär oder Assistent.“
Agenten aus dem Ostblock würden häufig als getarnte DDR -Flüchtlinge in Unternehmen der High-Tech-Branche eingeschleust. In nicht allen Bereichen, aus denen die sowjetische Industrie und Forschung gerade Wissen benötige, sei dies allerdings möglich. In diesen Fällen versuchten die Ost-Geheimdienste Mitarbeiter aus interessanten Unternehmen für die Spionage zu gewinnen. Kongresse im Ostblock, aber auch Firmen- und Privatbesuche in der DDR seien beliebte Anlässe für östliche Anwerbungsversuche. „Am Anfang ist das ein ganz lockerer Kollegenkontakt. Daraus entwickeln sich aber ganz schnell konspirative Beziehungen, aus denen der Ausstieg schwierig ist“, berichtet Hellenbroich aus der Praxis.
Daß sich etwa Entwicklungsingenieure aus dem mittleren Management für die Ostspionage gewinnen lassen, habe in den seltensten Fällen mit Geld zu tun. Östliche Geheimdienste nutzen vielmehr die labile Psyche der Mitarbeiter aus. Besonders gefährdet sind nach Hellenbroichs Erfahrung Mitarbeiter im mittleren Dienst, die ihre Arbeit als unterbewertet ansehen, bei Beförderungen wiederholt übergangen wurden oder sich auf das Abstellgleis gestellt sehen.
Welchen Schaden solche ungetreuen Mitarbeiter anrichten können, zeigt das Beispiel eines High-Tech-Experten aus einem bundesdeutschen Elektronikunternehmen. Der vom DDR -Geheimdienst angeworbene Fachmann hatte, wie er bei seiner Aufdeckung zugab, jede Woche an zwei bis drei Tagen jeweils in der Mittagspause vertrauliche Akten und Pläne abfotografiert - und das sieben Jahre lang. Seine Minikamera hatte er in einem Rasierapparat eingebaut, den er in seiner Schreibtischschublade aufbewahrte.
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