: „Das haben die Sozis verpennt“
Berlin (taz) - Am Anfang war die Empörung, und am Ende stand eine Resolution. Die Erschütterung über die Wahl von Günther von Lojewski zum neuen SFB-Intendanten war den etwa vierhundert spontan versammelten SFB-RedakteurInnen gestern mittag anzusehen. Der Lichthof des Rundfunkgebäudes war gedrängt voll, und auch von den Balustraden beugten sich erregte Redakteure.
In der Resolution, verabschiedet mit zwei Gegenstimmen und wenigen Enthaltungen, heißt es: „Wir protestieren gegen die Wahl. Wir fordern Herrn von Lojewski auf, das Amt nicht anzutreten.“ Mehr als ein frommer Wunsch?
Ausgerechnet die „Speerspitze der Reaktion“ habe man da zum Intendanten bestellt und noch dazu einen, der genauso inkompetent sei wie seine Vorgänger, meinte ein Redakteur kopfschüttelnd. Ein freier Mitarbeiter wertete die Entscheidung als „politischen Rachefeldzug des Rundfunkrats gegen die Redaktion“. Mit diesem neuen Intendanten wolle man „den Sender kaputtmachen“. Scharfe Worte fand auch der stellvertretende Vorsitzende der IG Medien im SFB, Rainer Ott. Die Wahl sei der Höhepunkt des „Sechsjahrekriegs gegen den SFB“, sozusagen „ein medienpolitisches Beirut der ARD“. Die CDU wolle wohl „mit dem Einsatz schwersten Kalibers an die Macht zurück.“ Dies sei jedenfall einer der „schwärzesten Tage in der Geschichte des SFB.“
Doch auch die SPD bekam gestern gehörig ihr Fett ab. Die Kritik, die der Berliner DGB-Vorsitzende Michael Pagels selbst Mitglied im Rundfunkrat - formulierte, wurde von vielen der Versammelten geteilt. Die beiden Koalitionspartner hätten es versäumt, sich um die Intendanz zu kümmern und wohl „kümmern mit kungeln“ verwechselt. Jetzt hätten andere in das Vakuum hinein ihre politische Entscheidung getroffen. Die Pagels-Rede wurde von Zwischenrufen unterbrochen, warum denn er und die Gewerkschaften sich nicht mehr um die Stellenbesetzungen gekümmert hätten: „Wir müssen damit leben, was ihr verdummbeutelt habt!“ Das war das Stichwort: „Das haben die Sozis verpennt“, schallte es aus den heftig diskutierenden Grüppchen. „Die konnten doch nicht ernsthaft den Dieter Huhn vorschlagen. Der hat doch keine Ahnung von Medienpolitik!“ Wenigstens mauern hätten sie können, sagte einer unter Zustimmung der Umstehenden. Schließlich hätte man es gut noch einige Monate länger ohne Intendanten ausgehalten. Konflikte seien jetzt schon vorprogrammiert. Die erste Wut mündet schließlich in eine allgemeine Kritik an der rot -grünen Medienpolitik. „Furchtbar“, „dilettantisch“ und „ein Unding“, von „keiner Sachkompetenz getrübt“ sei das, was die Koalitionspartner in die Vereinbarungen geschrieben hätten. Die neue Koalition verfüge über keinen kompetenten Medienpolitiker, so daß es den Rechten ein leichtes war, sich im Rundfunkrat durchzusetzen. Die CDU habe dort gezielt die Vertreterin des Landesfrauenrates auf ihre Seite gezogen. Obwohl die SFB-MitarbeiterInnen jetzt mit Lojewski die Diktatur des Parteibuchs befürchten, mochte dem Vorschlag, den eine Redakteurin bajuwarischen Ursprungs machte, niemand so recht zustimmen: „Ich glaube, ich emigriere zurück nach Bayern“, stöhnte sie.
Rita Herrmanns
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen