piwik no script img

THTR-Stillegung soll die Pleite verhindern

Atommafia verabschiedet sich von der „Reaktorlinie der Zukunft“ Der Pannenreaktor soll noch zwei bis drei Jahre Strom produzieren  ■  Von Petra Bornhöft

Berlin (taz) - Die „Reaktorlinie der Zukunft“ hat ihre Zukunft hinter sich. Am 9.Mai werden die Betreiber des Thorium-Hochtemperaturreaktors (THTR) in Hamm-Uentrop über einen Antrag auf Stillegung des teuren Pannenreaktors in zwei bis drei Jahren entscheiden. Das kündigte der Vorstandsvorsitzende der Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen (VEW), Klaus Knizia, am Wochenende an. Die Bundesregierung hat bereits zugestimmt, das Plazet der NRW -Landesregierung gilt als sicher, beide hatten sich vor Monaten bereits geweigert, die absehbare Pleite des Projektes mit weiteren 650 Millionen Mark zu finanzieren.

Wenige Tage vor dem offiziellen Abschied der Atomfans von ihrem Projekt werden die AKW-GegnerInnen am kommenden Sonntag in Hamm für die sofortige und endgültige Stillegung des THTR demonstrieren. Sie befürchten nämlich, daß die NRW -Aufsichtsbehörde nun sehr rasch den Betreibern erlauben wird, den seit Herbst vergangenen Jahres abgeschalteten Reaktor ohne Reparatur und Nachrüstmaßnahmen vorläufig wieder in Betrieb zu nehmen.

Sensationell war die Nachricht von dem endgültigen Aus für den THTR nicht. Bereits im Februar hatte Forschungsminister Riesenhuber den Betreibern - das sind maßgeblich die VEW und einige regionale Stromversorgungsunternehmen - per Brief mitgeteilt: „Einem Dauerbetrieb stehen offenbar außerordentliche Schwierigkeiten entgegen.“ Zu den ungelösten, kostspieligen Problemen zählte der Minister die „umfassenden Nachrüstauflagen“ im Anschluß an eine sicherheitstechnische Überprüfung, den ungeklärten Nachschub von Brennelementen sowie den fehlenden Entsorgungsnachweis. Vergangene Woche fügte Riesenhuber „Zweifel an hinreichender Betriebszuverlässigkeit und Verfügbarkeit“ hinzu. In diesem zweiten Schreiben, das der 'Spiegel‘ jetzt auszugsweise veröffentlicht, stimmt der Minister „dem Auslaufbetrieb mit anschließender Außerbetriebnahme“ zu.

Die Betreiber haben auch gar keine Alternative zur mittelfristigen Stillegung. Seit der Übernahme im Juni 1987 produzierte der wegen dauernder Pannen und Störfälle häufig abgeschaltete Prototyp fast nichts außer Verlusten. Die von Bund und Land bereitgestellten 450 Millionen Mark des Fortsetzung Seite 2

Interview Seite 4

Kommentar Seite 8

FORTSETZUNG VON SEITE 1

„Risikobeteiligungsvertrages“ zum Ausgleich von Defiziten des THTR - insgesamt 4,5 Milliarden Mark verschlang das Projekt bisher - waren bereits Anfang des Jahres futsch. Der Betreibergesellschaft drohte der Konkurs. Bund und Land sowie die beteiligten Unternehmen hatten sich geweigert, den „Risikofonds“ um die nötigen und geforderten 650 Millionen Mark aufzustocken.

Aus tiefer Sorge um den „Ansehensverlust für die gesamte Elektrizitätswirtschaft“ im Falle eines Konkurses, so Riesenhuber im Februar, richtete er damals einen flammen

den Appell an die Betreiber, die „Variante des geordneten Auslaufbetriebes von zwei bis drei Jahren nachdrücklich zu verfolgen“. Hinter diesem Appell steckt die Hoffnung, Hochtemperaturreaktoren tatsächlich wie avisiert in die Sowjetunion und nach China exportieren zu können und womöglich in weitere Länder. Aber wer kauft schon eine Technologie, dessen weltweit einziger, auf zwanzig Jahre Betriebsdauer ausgelegter Prototyp die Betreiber bereits nach zwei Jahren in den finanziellen Ruin treibt?

Der Ruin dürfte vor allem dann sicher sein, wenn der seit Monaten abgeschaltete Kugelhaufenreaktor vor seinem endgültigen „sicheren Einschluß“ nicht mehr in Betrieb gehen

kann. Über die neue Betriebsgenehmigung muß Nordrhein -Westfalens Wirtschaftsminister Jochimsen demnächst entscheiden. Auf seinem Schreibtisch liegt ein TÜV -Gutachten, demzufolge die Schäden an Heizgaskanälen, die zum erneuten Abschalten geführt hatten, nicht sicherheitsrelevant sind. Vor einigen Wochen bereits hatte das Forschungsministerium erklärt, manche Nachrüstforderugen seien bei einem zeitlich sehr begrenzten Betrieb hinfällig.

Dazu der Reaktorsicherheitsexperte Lothar Hahn vom Darmstädter Öko-Institut: „Es wäre eine ungeheuerliche Verantwortungslosigkeit, ohne Reparatur und Nachrüstung die Betriebserlaubnis zu erteilen. Niemand weiß, was da passie

ren kann. Da der Reaktor nur noch für beschränkte Zeit laufen soll, ist doch klar, daß die Betreiber keinen Pfennig mehr in die Sicherheit der Anlage investieren wollen.“

Die Bürgerinitativen aus der Region befürchten, daß der Reaktor noch drei bis vier Jahre am Netz bleiben könnte, weil solange der Vorrat an Brennelementen reiche. VEW-Chef Knizia droht mit 580 vollen Betriebstagen. Danach, so glauben Riesenhuber und Knizia, sei es am sinnvollsten, den Atommeiler 25 Jahre „sicher einzuschließen“ und dann, nach „Abklingen der Restaktivität“ die Ruine zu beseitigen. Allerdings ist Atomfetischist Knizia „ganz sicher, daß wir diesen Reaktortyp schon in einigen Jahren wieder ausgraben werden“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen