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BEWEGUNGS- LEXIKON

■ Tanz-Gastspiele in der Akademie der Künste

Am Rande des Theatertreffens tummeln sich die Tänzer - dies Bild entspricht der hausgemachten Hierarchie der darstellenden Künste. Weniger als Sensation für den modernen Zeitgeist denn als kontinuierlich den Tanz der Welt beobachtendes Auge - so sieht sich das Akademie-Festival. Vorbei sind die Zeiten, da Akrobaten, Clowns und Pantomimen aus alternativen und wiederentdeckten traditionellen Ecken die Bühne stürmten, freudig begrüßt als den Körper belebendes Elixier für dramatische Kopfgeburten. Nur der Tanz blieb der traditionellen Parallelaktion zum Theatertreffen erhalten, diesmal mit der einzigen Ausnahme der Bremer Shakespeare Company.

Die Akademie muß für ihre Reihe mit einem Etat von 320.000 DM auskommen; viele Reisen und Recherchen in der Vorbereitung erlaubt dies nicht, und so hängt die Programm -Zusammenstellung von Kontakten und glücklichen Zufällen ab. Der frühere Anspruch, Avantgarde zu entdecken, hat sich abgekühlt. Doch bis das Universal-Lexikon des Tanzes einmal vollgeschrieben ist, bleiben noch genung Bildungslücken in der Tanz-Kultur bestehen, die zu füllen man mit einem Gastspiel seinen guten Willen beweist.

In neuen Filmen der UdSSR rapt die Großstadtjugend und entlädt ihren Frust in einem harten, ausdruckslosen Maschinen-Tanz-Stil. Doch scheint diese Widerspiegelung eines rigiden gesellschaftlichen Umgangs mit dem Körper nicht gemeint zu sein, wenn vom „modernen Tanz“ in der UdSSR die Rede ist. Dann sucht man auf den Ballettbühnen, diesen Hochleistungssportmaschinen im ästhetischen Gewand des 19.Jahrhunderts, nach Reflexen einer jungen westlichen Ästhetik. Als ihr Protagonist gilt der Choreograph Boris Eifman aus Leningrad. Er nahm Stilelemente von Akrobatik und modern dance in seine Choreographien auf, die er nach Vorlagen aus Romanen und Komödien für sein „Theater des modernen Balletts“ entwarf.

Noch immer den sahnigen Charme weißer Gazeröckchen und die schmelzende Melancholie flatternder Hände und schwarz umrandeter Augen bewahrt das Prager Kammerballett Pavel Smok. Ihre Tänze über Liebe und Tragik wurzeln in den Emotionen und Phantasien der tschechischen Literatur und Musik.

Aus dem Kontinent, in dem Tanz als die erste der Künste und primäres Mittel der Artikulation gilt, kommt die Senegalesin Germaine Acogny. Das gespannte Fell der Trommeln, die Arona NDiaye für sie schlägt, schleudert sie hoch. Madame Acogny kehrte nach ihrer Zusammenarbeit mit Bejart nach Afrika zurück, um dort die symbolische und archetypische Körpersprache wiederaufzunehmen und einer folkloristischen Konservierung zu entziehen.

Um existentielle Zustände, um die Energien von Schmerz und Lust, um die Grenzen des ohne Worte Sagbaren geht es den Japanern Eiko&Koma aus New York. Von dort kommt auch die Koreanerin Sin Cha Hong, in deren rätselhaften und minimalistischen Stücken sich eine groteske und ironische Ebene über die Suche nach dem ursprünglichen Ausdruck geschoben hat. Dritter Gast aus New York ist die Stephen Petronio Company, die in Höchstgeschwindigkeit Tanz und Alltagsposen verschmilzt und den Zuschauer in einen visuellen Konsumrausch treibt.

Am weitesten in dei mysteriösen Tiefen des Bildertheaters wagen sich Teatrodanza Skene (Bozen/ Rom) mit manischen Bewegungssequenzen zwischen sperrigen Möbeln vor, und die belgische Gruppe PlanK.: Sie mischen einen kunsthistorischen Zitatenschatz seit der Erfindung der Zentralperspektive auf und hinterfragen die mathematische Erfassung der Welt und die Idealität der Proportionen. Neue Synthesen mit der bildenden Kunst erprobt auch der Berliner Haus-Choreograph der Akademie, Gerhard Bohner, der in Rauminstallationen von Vera Röhm und Robert Schad die Signifikanz seiner Schritte austestet.

KBM

Internationale Gastspielreihe der Akademie der Künste, 2. bis 24.Mai

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