: Sonntagsreden und Käsestangen
Festakt „40 Jahre Bundesrepublik“ in der Frankfurter Paulskirche / Festredner Edward Heath lobte die Deutschen ■ Aus Frankfurt Heide Platen
Über die Toppen geflaggt, Mozart, Haydn (Streichquartett C -Dur, op.76 Nr.3 2.Satz, ein Werk, das Deutschen und Briten gleichermaßen zum nationalen Liedgut geraten ist) - der offizielle Festakt 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland 140 Jahre Frankfurter Reichsverfassung in der Frankfurter Paulskirche begann gestern vormittag um 11 Uhr und endete 90 Minuten später mit Brezeln und Käsestangen. Ministerpräsident Wallmann holte vorher zum historischen Rundumschlag am geschichtsträchtigen Orte aus. Die französische Revolution, die Revolutionäre von 1849. Der Ton wird pastoral: „Sie rangen mit ihrem Leben um eine freiheitliche Verfassung“ und wurden - Tremolo „standrechtlich erschossen“. Das deutsche Wesen resp. dessen Geschichte ist gespalten, Hitler gehört auch dazu: „Wir müssen sie annehmen, in ihren Höhen ebenso wie in ihren Tiefen und Abgründen.“ Und sei's im Schweinsgalopp: Ost und West, Papst und Luther, Habsburg und Frankreich, Rußland und England, Aufklärung und Romantik, Kapitalismus und Sozialismus, Amerika und Sowjetunion, Reichsidee und nationale Größe kontra Provinzialismus und Eigenbrötlertum. Waren wir Deutschen nicht schon oft geteilt oder doch zumindest unentschieden?, fragt der Ministerpräsident und macht seinen Dackelblick. Dazu ein bißchen Wiedervereinigung, aber nicht um den „Preis der Unfreiheit“ usw. usf.
Der Festredner, der britische Expremier, Member of British Embassy, Member of Parliament, The Rt. Hon. Edward Heath, ist dagegen richtig launig. So viel „glanzvoller Rahmen“ und jüngere Geschichte ist ihm fast zuviel. Wallmann habe, meint er, die amerikanische Revolution vergessen. Die hätte Georg III. besser im Griff behalten sollen. Und „Great London“ wird auch 800 Jahre alt. Er lobt die deutsche Mark, den deutschen Sport. Über die Umweltpolitik und „das raffinierte System des Smogalarms“ macht er sich lustig: „Es müssen Betriebe schließen und Fahrzeuge stillgelegt werden.“ Ein britischer Umweltminister würde damit „nicht lange leben“. Der Altvater der Europäischen Gemeinschaft will, daß seine Landsleute endlich Fremdsprachen lernen. Aber auf das britische Pfund läßt er nichts kommen. Die Diskussion über die Nato hält er für überflüssig, die Gewerkschaften im eigenen Land werden ihm zu viele, „fast 300 Stück!“. Die Mauer könne eingerissen werden, wenn die Perestroika Wirklichkeit werde. Im übrigen blühe und gedeihe Westdeutschland. Wenn das die nächsten 40 Jahre so weitergehe, „dann sollten Sie mit hocherhobenem Haupt stolz dastehen können!“
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