piwik no script img

Standbild: "Währungs-Reform"

■ Der Boss kennt auch den Staatsanwalt - Bony A Klid, tschechischer Spielfilm

(Der Boss kennt auch den Staatsanwalt - Bony A Klid, tschechischer Spielfilm, ZDF, 16.5. 89, 22.45 Uhr) Von einer Bonny&Clyde-Klamotte war dieser Film so meilenweit entfernt wie Chicago von Prag. Weil das soweit weg ist, hat der Regisseur Vit Olmer wohl extra in den Vorspann „Bonny & Clyde“ geschrieben. Nebensache. Viel unerträglicher waren die Fetzen von „Frankie goes to Hollywood“, die sämtliche Dialoge abtöteten. Über fünfzig Prozent des Films wurden mit dieser Hops-Musik unterlegt, immer und immer wieder, als hätte die Platte einen Sprung. „Sakra“, um im Film zu bleiben, warum denn nur? Die Dialoge waren bombastisch. Da im Zweikanalton gesendet, konnte man derbes Tschechisch hören, wie es an den Stammtischen und in der Kleingauenerszene gesprochen wird. Es ist viel süßlicher als Deutsch. Die Übersetzer hatten da hörbar Mühe, aber Erfolg.

Und nun zum Inhalt. Es wird ein Stück tschechischer Gesellschaft an genau dem Punkt gezeigt, wo sie sich von allen anderen Osteuropäern abhebt. Jeder ist irgendwo ein kleiner Dealer, und wenn er auch nur, wie hier der Vater von Martin, seinen Sohn an den Sozialismus verkauft. Eine Millieustudie, die nur selten übertrieb und das Leben der Kleindealer im Devisengeschäft schön ausleuchtete. Martin wollte einen Videorecorder. Doch statt zum Kurs von 1:13 harte Westmark zu kaufen, hatte er sich gefälschte Dollarnoten andrehen lassen. Soweit, so echt. Im Gegensatz zu denkenden Tschechen jedoch wollte Martin nun sein Geld zurück, erstattete Anzeige, konnte von Glück reden, als er nicht wegen Vergehens gegen das Devisengesetz selbst vor den Kadi kommt. So langsam rutscht er ins Milleu rein, dealt mit und lernt mit dem Zuschauer so die Feinheiten des illegalen Ost-West-Geschäfts.

Auch wenn es nicht ganz realistisch ist, daß alle deutschen Reisebusfahrer mit den Dealern zusammenarbeiten, der eine und andere tut's eben doch. Das Geschäft ist straff durchorganisiert, die einen tauschen mit Westlern, die anderen das frisch verdiente Westgeld mit den Tschechen. Und der Metzger, bei den Tschechen das Abbild des Betrügers, durfte auch nicht fehlen. Der kauft gleich 50.000 DM zum Kurs von 1:13. Daran merkt man, daß der Film schon zwei Jahre alt ist, denn jetzt tauscht man fast 1:20. Und auch das gehört zum Alltag eines Kleingauners: Weil Arbeitspflicht besteht, organisiert man sich einen Nachtwächterjob, schmiert den Personalchef gut und läßt einen Rentner für sich arbeiten. Damit hat man formal einen Job und kann doch seinen Geschäften nachgehen. Ein gutes Zeichen, daß in der CSSR nun offen über diese „andere“ Realität gesprochen und gefilmt werden darf.

Friedhelm Wachs

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen