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Ungarns Kanossagang nach Österreich

Delegation aus Budapest sondiert in Wien / Baustopp des Kraftwerks Nagymaros hatte Österreich verärgert  ■  Aus Wien Bela Rasky

Eine ungarische „Delegation des guten Willens“, bestehend aus Parlamentsabgeordneten sowie Vertretern der neuen politischen Parteien, hielt sich in den vergangenen Tagen in Österreich auf, um die Lage nach dem von der ungarischen Regierung vorübergehend verhängten Baustopp am Kraftwerk Nagymaros zu sondieren. Österreich hatte sich an Finanzierung und Ausführung des tschechoslowakisch -ungarischen Gemeinschaftsprojektes beteiligt.

Die unter der Leitung des emeritierten Präsidenten der ungarischen Akademie der Wissenschaften, Professor Szentagothai, stehende Abordnung versuchte, in Österreich um Verständnis für den ungarischen Regierungsentscheid zu werben. Szentagothai unterstrich, daß es sich beim Ausstieg Ungarns aus dem „stalinistischen Mammutprojekt“ um keinen Vertragsbruch handle. Ungarn würde darüber hinaus seinen Verpflichtungen im Rahmen des Stromliefervertrages nachkommen und ab 1996 2,1 Terrawattstunden nach Österreich liefern.

Selbstverständlich werde man auch österreichischen Firmen Schadenersatz leisten. Dieser Schaden wird von österreichischer Seite mit etwa 300 Millionen Mark beziffert. Die ungarische Abordnung setzte sich für die Schaffung einer gemeinsamen, unabhängigen Sachverständigenkommission ein, die den tatsächlichen wirtschaftlichen Schaden Österreichs ermitteln und auch die Möglichkeit von Kompensationsgeschäften im Rahmen der geplanten gemeinsamen Weltausstellung 1995 untersuchen soll.

Die Gespräche der österreichischen Generalunternehmer „Donaukraft“ am Montag waren konfliktgeladen. Das vom Generaldirektor der österreichischen „Verbund“ und den Direktoren der „Donaukraft“ zum Teil sehr aggressiv geführte Gespräch zeigte ein konkretes Ergebnis: die „Donaukraft“, die sich über den ungarischen Regierungsentscheid „sehr überrascht“ gab, würde eine Entschädigung für die ihr entstandenen Schäden im Rahmen des bestehenden Stromliefervertrages akzeptieren.

Ein Fest im Wiener Ökologieinstitut zu Ehren des Baustopps in Nagymaros beendet den ersten Tag der von österreichischen Umweltschützern scherzhaft als „Kanossagang“ bezeichneten Delegation. Am Dienstag und Mittwoch trafen die Ungarn mit den Vertretern der vier österreichischen Parlamentsparteien zusammen: Die Grünen legten konkrete Vorschläge für den Umbau ungarischer Kraftwerkskapazitäten mit Hilfe von Alternativtechnologien vor, denen gegenüber die ungarische Delegation sich überraschend offen zeigte. Heute wird der ungarische Ministerpräsident Miklos Nemeth zu offiziellen Verhandlungen in Wien erwartet.

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