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Feuerzauber in Wackersdorf

■ Baustopp für die Wiederaufarbeitungsanlage

KOMMENTARE

Das lange Sterben der WAA ist endlich vorbei. Nach knapp achtwöchiger Agonie hat die DWK das Herzstück des bundesdeutschen integrierten Entsorgungskonzepts zu Grabe getragen. Das Wörtchen „vorläufig“ vor dem Baustopp kann getrost als Kosmetik verstanden werden. Es gibt keine Hintertürchen mehr, die es wert sind, offengehalten zu werden.

Die Wiederaufarbeitung in der Bundesrepublik ist schlichtweg zu teuer, das Jahrhundertprojekt WAA ökonomisch gescheitert. Das sogenannte „Primat der Politik“ dagegen in die Waagschale werfen zu wollen erweist sich als purer Blödsinn. So etwas hat es noch nie gegeben. Daß es die WAA -Einpeitscher schmerzt, plötzlich in aller Öffentlichkeit als Hampelmänner der Industrie dazustehen, ist verständlich. Doch das Aufjaulen derer, die sich in atemberaubender Geschwindigkeit von knallharten WAA-ProtagonistInnen zu WAA -GegnerInnen umgewandelt haben, ist nur Augenwischerei. Haben sich doch gerade jene lange genug direkt und indirekt kaufen und schmieren lassen - allen voran der Wackersdorfer Gemeinderat. Hier ein kleiner Ausflug nach La Hague mit anschließendem Besuch im Moulin Rouge in Paris, dort ein Abendessen, hier ein zinsloses Darlehen für den angeschlagenen Gemeindehaushalt, dort ein kleines Präsent für die werte Gattin. So läuft das Geschäft, das Primat der Ökonomie. Das vielbeschworene Primat der Politik ist nur etwas für den Staatsbürgerunterricht bei der Bundeswehr.

Auch das Zitat des niedersächsischen Ministerpräsidenten Albrecht gewinnt in der Wiederholung durch den bayerischen Umweltminister Dick ein neues Gewicht: „Die Anlage ist zwar technisch machbar, politisch aber nicht mehr durchzusetzen.“ Was Albrecht auf die starke Widerstandsbewegung im Wendland bezogen hatte, münzte Dick wider besseren Wissens nur auf die Entscheidung der Energiewirtschaft gegen Wackersdorf, die politisch nicht mehr umkehrbar war. Der langjährige zähe Widerstand gegen die WAA gerade vor Ort in der Oberpfalz kann sich das Ende der WAA an seine Fahnen heften. Trotz einer bespiellosen Werbekampagne für die Wiederaufarbeitung, flankiert von einem ebenso beispiellosen polizeistaatlichen Vorgehen, trotz Kampfgas- und Knüppeleinsatzes, tagtäglicher Überwachung und Kriminalisierung von WAA-GegnerInnen, trotz Einreiseverbots für österreichische WAA-GegnerInnen und demonstrationsfreier Bannmeile um das WAA-Gelände: immer wieder marschierten Tausende zum Bauzaun. Zusätzlich hat der hartnäckige juristische Widerstand den WAA-Betreibern und Politikern schlaflose Nächte bereitet. Jede zeitliche Verzögerung für den nächsten Genehmigungsbescheid, jede zusätzlich notwendige Sicherheitsauflage kostete Millionen. Die immense Verteuerung der Anlage verlieh den ökonomischen Argumenten der Energiewirtschaft zusätzliches Gewicht.

Natürlich war die WAA auch ein speziell bayerisches Prestigeobjekt. Franz-Josef Strauß wird sich wohl in seinem Grab in Rott am Inn angesichts der Entwicklung der letzten Wochen umdrehen, hat doch die nationale Wiederaufarbeitung viel zu tun mit seinem Lebensziel. Das Objekt seiner Begierde war die deutsche Atombombe. Vehement hatte Strauß schon in den 50er Jahren ungeachtet von völkerrechtlich bindenden Verträgen versucht, als damaliger Atom- und späterer Verteidigungsminister den Griff zur Bombe perfekt zu machen. Das Plutonium aus der WAA sollte die Option darauf sicherstellen.

Die WAA-Widerstandsbewegung muß jetzt befreit mit dem Schwung des Erfolgs weiterkämpfen. Zielobjekte gibt es genug: die Wiederaufarbeitungsanlagen in La Hague und Sellafield, aber auch die jetzt aus der Tasche gezauberten Konzepte einer scheinbar sicheren direkten Endlagerung als Lösung des Entsorgungsdilemmas. Für das Baugelände in Wackersdorf darf es jetzt nur noch eine Lösung geben: Acht Tonnen Sprengstoff machen alle Gebäude dem Erdboden gleich. Das wird ein Feuerwerk!

Bernd Siegler

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