„Bei mir paßt immer noch was rein“

■ Vor Gericht: Eine Kneipenszene, ein arbeitsloser Schlachter und ein befreundeter Kopf im Pißbecken

Bei „Peggy's Inn“ in Oslebshausen ist immer was los. Irgendwann im Februar 1988, so wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten Franz-Dieter P. vor, habe dieser einen Bekannten mit dem Kopf ins Pißbecken gesteckt.

Der Angeklagte ist ein emotionaler, bulliger Mann. Er spricht mit vulgärem Berliner Akzent. Auf Befragen des Staatsanwaltes berichtet er, was damals war: P. wurde am Kneipentresen von Ronald J. „zwischen die Beine“ gegriffen, worauf er für den Wiederholungsfall androhte, J. „mit dem Kopf ins Scheißhaus“ zu stecken. Als J. dem Schlachter auf die Toilette folgte -„da faßt er ma wieda zwischen de Eia„, rastete P. aus: Ronald J. war für ihn sowieso „wie ein rotes Tuch“. Er packte den Kopf von Ronald und steckte ihn „in das Pißbecken“, wie er ungerührt wiedergab. Auf die eindringliche Frage des Staatsanwaltes, ob da nicht noch etwas gewesen sei, vervollständigte der Angeklagte seine Schilderung. Ja, dabei sei das Urinbecken aus der Wand herausgerissen und zerbrochen. Doch er habe „garnicht so viel Gewalt“ dabei angewendet, denn das Pissoir ist „nur mit zwee so kleenen Dübeln„befestigt, „ditt geht janz schnell“.

Wie sich herausstellte, ist der Metzger kein Alkohol -Abhängiger Mensch, doch zieht es ihn, sobald er 'draußen‘ ist, schnellstens in die nächste Kneipe, „um die Zeit totzuschlagen“. Und Zeit hat er genug, seit er von seiner Schlachterei rausgeworfen wurde. In alkoholisiertem Zustand wurde er besonders reizbar und bevorzugte, Konflikte mit seinen enormen Händen auszu

tragen. „Wieweit Ihre Sicherungen durchbrennen, liegt an der Menge Alkohol, die Sie getrunken haben“, bescheinigte auch der Staatsdiener. Als man ihm am Morgen nach der Tat Blut abnahm, verhielt er sich in keiner Weise auffällig, so das Polizeiprotokoll. Das Ergebnis war ein Promillewert von 1,70; für die Tatzeit errechneten die Ärzte verblüffende 2,22 Promille. Auf die Frage des Richters, was Franz-Dieter P. denn am Abend der Tat so getrunken hätte, zählte er auf: „Ach, 'n paar Schnäpse, 'n paar Bierchen“, ja ein „Fläschchen Schnapps“ sei es schon gewesen. Wie groß denn so eine Flasche sei, wollte der Staatsanwalt wissen. „Na, so 2/4 Liter. Aber das hat man doch in zwee Zügen weg“. Fast ironisch klang die folgende Frage des Staatsanwaltes, ob P. „richtig voll“ gewesen sei oder noch „was reinpaßte“? Der Angeklagte erwiederte darauf: „Bei mir paßt immer noch was rein“, worauf der Staatsdiener dazusetzte: „Das glaube ich Ihnen“. Das geistige Getränk verteilt sich bei ihm auf stolze 113 Kilo Fleischmasse. Unklar blieb, ob der Täter sein Opfer, am Boden liegend auch noch mit den Füßen ins Gesicht getreten hat, was P. vehement ableugnet.

Zur Klärung dieses Sachverhaltes sollen in der schließlich für September angesetzten Hauptverhandlung noch Zeugen gehört werden. Bis dahin soll auch ein Gutachten verfügbar sein, aus dem hervorgeht, ob die Unterbringung von P. in einer Entziehungs-Anstalt sinnvoll wäre. Nach Richter und Staatsanwalt könnte er dort einen Teil seiner

Haftstrafe verbringen, damit er auch „geistig so stark“ wird, „wie er äußerlich ist“. Doch der Angeklagte zeigte sich mit dem Vorschlag keineswegs einverstanden und regte sich auf, weil er befürchtete, dort unter „Drogen“ gesetzt zu werden. Er mußte zunächst von seinem Anwalt überzeugt werden, daß man ihm dort mit Gesprächen helfen würde. Als ihm eröffnet wurde, daß die

Lösung Entziehungs-Anstalt möglicherweise seine Zeit hinter Gittern verkürzen würde, wenn er „gut mitmachen“ sollte, war er vollends überzeugt. Wohl auch wegen der Aussicht auf besseres Essen („mein 'se, ditt is jesund dadrinnen?„). Er schien den Alk als sein Problem anerkannt zu haben: „Sie geben mir ja nicht umsonst die Chance, daß man davon loskommt“.

David, taz-Praktikant