: Bonn Apart: Heinrich Lummer
*Heinrich Lummer, als Berliner Innensenator unangefochtener Matador gesunden Volksempfindens, hatte mit griffigen Formeln nie Probleme. Wenn es in Berlin mal wieder irgendwo schepperte und seine Lalüs die Ärmel aufkrempeln mußten, um das Schaufenster des freien Westens zu befrieden, gab es immer eine Erklärung für die Randale: Nicht die Berliner Ureinwohner, sondern das zugereiste Chaotenpack aus der Bundesrepublik war schuld. Selbst die Statistik, die die westdeutsche Meldeadresse der Festgenommenen hervorhob, bemühte einst der wackere Polizeisenator, um dies zu belegen.
Wenn zwei dasselbe sagen, ist's dennoch was anderes, darf nun Berlins rot-grüner Regiermeister Walter Momper erfahren. Er hatte in der Illustrierten 'die Bunte‘ erklärt, „viele der Chaoten“ beim 1.-Mai-Krawall seien „junge Provinzler“ gewesen. Schließlich sei dergleichen ja viel spannender als das Alltagsleben in einem 7.000-Seelendorf im Osten Bayerns, meinte Momper. Diese Behauptung, so bläst sich der CSU -Abgeordnete Benno Zierer auf, sei „eine pauschale Diffamierung junger Menschen in den ländlichen Regionen Ost -Bayerns“. Der Momper Walter solle schleunigst „stichhaltige Fakten“ und „genaue Zahlen“ rüberrücken, fordert Zierer und vermutet, Momper wolle lediglich über das Versagen seiner Polizeitaktik hinwegtäuschen. Zierers Buben und Mädels sind nämlich sauber; wenn schon auswärtige Beteiligung am Berliner Krawall, dann seien das „Ermutigte“ aus Hamburg und anderen „rechtsfreien Räumen unter sozialdemokratischer Duldung“, sagt Zierer.
Daß die Hälfte der Berliner Chaoten aus Schwaben kommen soll, läßt die baden-württembergische Landesregierung dagegen kalt. „Wir haben nicht überprüft, wo die Chaoten herkommen, und fühlen uns auch nicht diffamiert“, sagt Pressesprecher Reichel: „So wie es keine Sippenhaftung gibt, gibt es auch keine Länderhaftung.“
*Es war ein bewegendes Bild: Der weiße Dampfer schaukelte auf den Wellen, an beiden Rheinufern von einer langen Schlange von Sicherheitsfahrzeugen eskortiert, und auf den Weinhängen stand alle 100 Meter ein Bundesgrenzschützer. Auf dem Deck des Dampfers, direkt unter der Loreley, standen George Bush und Helmut Kohl und stießen auf die deutsch -amerikanische Freundschaft an. Jeder der akkreditierten Pressevertreter erhielt eine Flasche George-Bush-in -Rheinland-Pfalz-Gedächtniswein: weißes Etikett mit dem Schriftzug „Präsident der Vereinigten Staaten George Bush in Rheinland-Palz“ unter den Fahnen der USA und der Bundesrepublik, abgefüllt von der Winzergenossenschaft „Rheinfront“. Die Gabe wärmt das Herz des Schreiberlings, macht die Sprache kraftvoll und läßt über die fehlende politische Substanz hinwegsehen; ein trockener Rheinhessen war's, doch längst nicht so dröge wie die Rede Bushs in der Rheingold-Halle in Mainz.
*Friedhelm Ost, der ehemalige Bonner Regierungssprecher, darf frohlocken: Er wird nun doch nicht arbeitslos. Nachdem sein Chef Helmut Kohl verschiedentlich - so auch beim Staatssender Deutsche Welle - damit gescheitert war, den ausgemusterten Herold lukrativ unterzubringen, wird Ost nun Banker. Als Chef der staatseigenen DSL-Bank war Ost zwar am Einspruch der Bankenaufsicht gescheitert; die monierte das Fehlen jeglicher Fachkenntnisse. Doch dem Kanzler fiel was ein: Ost wird nun - fern der Bankenaufsicht Geschäftsführer der DSL-Tochter in Luxemburg.
Gerd Nowakowski
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