: Ausschuß „unerträglich überheblich“
■ Geschaßter SPD-Fraktionsmitarbeiter zu seinem St.-Jürgen-Akten-Coup
Michael Tillmann, vom Dienst suspendierter Fraktionsmitarbeiter der Bremer SPD, muß - neben den bereits laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn nun auch mit einem Parteiausschlußverfahren rechnen. SPD -Landesgeschäftsführer Henrik Marckhoff bestätigte gestern Überlegungen, „Distanz zwischen die Partei und Tillmann zu legen“. Tillmann, der gegenüber Staatsanwaltschaft und SPD -Fraktionschef Dittbrenner gestanden hatte, in einem Karton mit der Aufschrift „Günter Klein (CDU)“ interne Papiere des St.-Jürgen-Ausschusses vor einem Altpapier-Container am Osterdeich deponiert zu haben, habe, so Marckhoff, einem „demokratischen Gremium schwersten Schaden zugefügt“.
Geredet hat allerdings bislang noch kein SPD -Vorstandsmitglied mit Tillmann. Im Zusammenhang mit der Diskussion um einen möglichen Tillmann-Rausschmiß ist die SPD dafür jetzt auch auf ein zweites, ungeliebtes Mitglied in den eigenen Reihen gestoßen: Aribert Galla. Seit einigen Tagen versucht man in der Bremer Parteizentrale zu klären, ob Galla noch immer SPD-Mitglied ist oder sein Parteibuch inzwischen von sich aus zurückgegeben hat. Gegebenenfalls soll auch gegen den ehemaligen St.-Jürgen-Verwaltungs -Direktor ein Ausschlußverfahren eröffnet werden.
„Ich bedauere mein Fehlverhalten sehr und bitte Sie um Entschuldigung,“ schrieb Tillmann in einem knappen Brief an den CDU-Fraktionsvize. Wesentlich ausführlicher nimmt er zu dem Akten-Coup in einem dreiseitigen Schreiben an die Staatsanwaltschaft Stellung. Das Verfahren des St.-Jürgen -Ausschusses, dessen SPD-Mitgliedern er im Auftrag der Fraktion zuzuarbeiten hatte, habe er „zum Teil als heuchlerisch und unfair“ empfunden. Mit einer „Kurzschlußreaktion“ habe er deshalb eine „weitere öffentliche Auseinandersetzung über die Methoden des Ausschusses herbeiführen wollen“.
„Tief betroffen“ zeigt Tillmann sich insbesondere über die „inquisitorische Zeugenvernehmung durch Herrn Klein“. Kritik äußert Tillmann allerdings auch gegenüber dem gesamten Ausschuß und dem SPD-Vorsitzenden, Andreas Lojewski, der Kleins „Mc-Carthy-Stil“ nahezu kritiklos akzeptiert habe. So sei er, Timmann, „geradezu entsetzt“ gewesen, als Bürgermeister Henning Scherf wegen einer „unstreitig verfälschten Aussage“ vor den Ausschuß zitiert worden sei und Scherfs Pressesprecher „vor aller Öffentlichkeit bedeutet wurde, daß man ihm nicht glaube“. Verärgert habe ihn außerdem die öffentliche und für die Betroffenen häufig peinliche Vernehmung von Zeugen, deren Aussage von vornherein absehbar in keinerlei Zusammenhang zum politischen Untersuchungsauftrag des Ausschusses gestanden habe. Seine persönlichen Hinweise auf mögliche Entlastungszeugen habe der Ausschuß regelmäßig ignoriert.
Tillmanns Resumme über die Arbeit des Ausschusses: „unerträglich überheblich“ und „selektiv“ in seiner Wahrnehmung von Fakten. Er selbst habe sich dadurch „moralisch überfordert“ und zu einem Schritt veranlaßt gefühlt, „der falsch war und den ich sehr bedaure.“
K.S.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen