„Visionen gehören nicht auf die Regierungsbank“

■ Keine Neuauflage der Koalitionsdebatte - aber gefragt sind grüne Reformprojekte / Ein Positionspapier von Ruth Hammerbacher und Udo Knapp

I. Auf Katzenpfoten...

Die Realos, diejenigen in der Partei, die die meisten Erfahrungen im Prügeleinstecken haben, sollen ausgerechnet nach Frankfurt und Berlin wegen möglicher innerparteilicher Prügelandrohung verstummt sein - warum eigentlich? Und wäre es vielleicht kein kluger taktischer Schachzug, nicht jede Chance auf Mitregieren 1990 selber zu zerreden, denn darin sind wir ja Weltmeister - wir erinnern nur an den Hannoveraner Parteitag oder den Päderastenbeschluß in Nordrhein-Westfalen.

Wir verhehlen aber nicht, daß uns die Vorstellungen, „auf Katzenpfoten“ an die Bonner Regierungsmacht zu kommen geräuschlos, gewandt und mit einer gewissen Eleganz -, keineswegs unsympathisch wäre. Dagegen wären wir, den Weg nach Bonn mit schwerem Tritt, wehender Fahne und schriller Fanfare. Dann lieber einen Schweigemarsch, der ist nicht nur eindrucksvoller, sondern auch ein urgrünes Politikinstrument. Grün als Ersatzrevolution unter der Tarnkappe durch die Hintertür zu verkaufen, hat auch wenig Überzeugungskraft.

II. „Epochal überhöht“

Die acht Jahre Kohl waren, anders als Fücks und Ulrich meinen, kein bloßes Zwischenspiel ohne bemerkenswertere Hinterlassenschaften, außer REPS und DVU, auf daß nun wieder das alte, bloß grün gewandete sozialdemokratische folgt, wie Fücks und Ulrich nahelegen. Wichtiger für unsere Politik scheint uns die fatalste Wirkung der Wendekoalition, die Relativierung von Gemeinsinn, Mitmenschlichkeit, Hilfsbereitschaft und Zerstörung der Legitimationsbasis politischer Institutionen.

Es ist ein Mangel, auch unserer grünen Politik, daß wir selbst oft über sozialdemokratischen Klientelismus nicht hinausgekommen sind, anstatt daran zu arbeiten, die Politik in der Gesellschaft, die Demokratie neu zu fundieren. Der Wechsel von Schmidt zu Kohl hatte für viele Bürger einschneidende Folgen, aber er läßt sich nicht als Epochenende fassen, wie Fücks/Ulrich dies tun. Ebenso raten wir davon ab, den möglichen Regierungswechsel 1990 epochal zu überhöhen, wie die Konservativen dies mit ihrem eigenen Projekt 1982 erfolglos versucht haben. Wenn wir mitregieren wollen, dürfen wir gerade nicht in die Falle „Versprochen und nicht gehalten“ tappen, die auch für uns bereitsteht.

Wenn es uns gelingt, innerhalb einer Legislaturperiode strukturelle Veränderungen - in der Umweltpolitik, in der Sozialpolitik und in der Technologiepolitik - einzuleiten, dann bedeutet das mehr, als das Verlangen nach Hegemonie bei Fücks/Ulrich, das eher dem Drang, ins Geschichtsbuch zu kommen, entspringt. Von der Adaption des alten, wenn auch intelligenteren, Klassenkampfs von Gramsci, man müsse Träger der gesellschaftlich herrschenden Idee sein, um sich zur politischen Macht aufzuschwingen, halten wir wenig. Was wollen und brauchen wir mehr für das Mitregieren als die „gesellschaftlichen Mehrheiten, die (SPD und Grüne) in vielen Einzelfragen nachweisbar haben“? Worin besteht denn eigentlich die neue Qualität, wenn diese Mehrheit noch in eine „neue geistige und politische Hegemonie“ umgesetzt wird? Oder ist damit doch wieder klammheimlich die Herrschaft der richtigen Idee gemeint? Die Ideen der Hegemonie standen schon immer mit der Demokratie auf Kriegsfuß.

„Gezeitenende“, „Welle“ und „brechende Bewußtseinsdeiche“, „gesellschaftliche Unterströmungen“ und der „Drang nach Wende“ sind bei Fücks/Ulrich auffällige Schlüsselworte. Wenn Deiche brechen, verheeren die Fluten ganze Landstriche, beim Gezeitenwechsel kommt es oft unerwartet zu Sturmfluten, in Unterströmungen ertrinken ungeübte Schwimmer. Warum so drohende Bilder, wenn es um nicht mehr, aber auch nicht um weniger als um Mitwirkung an einer Regierung geht?

III. Überzeichnung der eigenen Politikerrolle

Es gibt grüne Politiker mit permanent schlechtem Gewissen, die handlungsunfähig sind und nicht loslegen können, wenn nicht der banalste politische Akt - praktisch jeder Furz in den Rang eines historischen Ereignisses erhoben wird. Ist deswegen von mächtigen Naturgewalten die Rede, weil man sich selbst am Bild gewaltiger Ereignisse berauschen muß und nur so Sinn im politischen Handeln erkennen kann? Christian Ströbele sprach von „Jahrhundertchance“, Antje Vollmer spricht vom historischen Bündnis zwischen alten und neuen sozialen Bewegungen. Das letzte Mal sind Brandt und Scheel mit ihrem historischen Bündnis zwischen Arbeiterbewegung und Bürgertum auf Grund gelaufen. Da werden „Visionen“ eingeklagt und zu guter Letzt die heimliche Hoffnung aller unserer grünen Politiker, die durch eine wirkliche historische Figur zu Laiendarstellern degradiert wurden, offenbart: „Einen ähnlichen Effekt erzielen wie Gorbatschow in der Sowjetunion.“ Genau, das ist es: Einmal an der Spitze Staats- und Weltenlenker sein wie Gorbatschow. Warum geht es eigentlich bei uns nicht darunter?

Der Überzeichnung der eigenen Politikerrolle entspricht eine Mystifizierung der „Mehrheit der Menschen“, des „Volkes“. Ob die Menschen tatsächlich „tiefgreifende Veränderungen in der Struktur“ wollen, ob sie „radikaler, radikaler als die Parteien meinen“, sind, oder der „Aufbruch zu neuen Ufern“ ihr Programm ist, darüber wollen wir nicht spekulieren. Wir würden das gerne praktisch herausfinden, wenn wir zum Beispiel einschneidende Fahrverbote verhängen müssen. Das scharfe Gegenüberstellen von „Volk“, einer zu rot-grünen Visionen neigenden Republik und den nur zu Koalitionen fähigen Parteien verzeichnet nicht nur die Situation, sondern überfordert in der Tendenz Politik überhaupt. Wir sind viel bescheidener. Es besteht kein Grund, die weitverbreitete Stimmung für rot-grün, die vor allem eine Stimmung für eine andere Regierung ist, zu einem rot-grünen Wendehimmel zu verklären.

Wir sehen die Gefahr, daß ein so „visionär“ angelegtes Rot -Grün-Konzept größere Enttäuschungen hinterläßt als kluge und behutsame Reformpolitik, von der die Menschen etwas haben, obwohl sie dafür traditonelle Sicherheiten aufgeben müssen. Visionen sind notwendig, sie gehören in die Herzen der Menschen, aber nicht auf die Regierungsbank. Vargas Llosa hat Recht, wenn er feststellt: Visionen sind mit Demokratie unvereinbar.

IV. Hoffnungen gerade auch außerhalb der Partei

Die von Fücks/Ulrich im Kommandoton vorgetragene Forderung „Koalition anders oder gar nicht“ und „wenn Koaliton, dann (nur?) so“ dokumentiert Blindheit gegenüber heterogenen Begründungen für Rot-Grün in der Gesellschaft und heterogener gesellschaftlicher Interessen an Rot-Grün. Dabei macht eben diese Begründungs- und Interessenvielfalt das Vorhaben Rot-Grün nicht nur stark, sondern wird dazu führen, daß sich die interessierten Bürger jedem Versuch der „strategischen“ Kanalisierung oder „Vereinheitlichung“ widersetzen werden. Rot-Grün gehört nicht den grünen Funktionären. Es erscheint uns angebrachter, den Nachweis vielfältiger Begründungen und unterschiedlicher Interessen an Rot-Grün als Beleg dafür zu nehmen, daß das Projekt Chancen hat und deswegen tragfähig ist, weil sich viele gerade auch außerhalb der Partei einiges davon versprechen. Wir sind in Sorge, daß die Tendenz bei Fücks/Ulrich, das bißchen Hoffnung auf Rot-Grün so bombastisch aufzumotzen, dazu führt, daß am Ende das ganze Projekt unglaubwürdig wird. Und wir sind auch nicht davon überzeugt, daß sich eine attraktive Debatte über ein rot-grünes Projekt ausgerechnet damit eröffenen läßt, daß die Berliner Akteure als verbalradikal und opportunistisch, die ehemalige Hessenkoalition als Nulloption denunziert werden und das Frankfurter Muster verschwiegen wird. Die Berliner wurden vom Wahlergebnis kalt erwischt. Gewollt haben sie dieses Wahlergebnis und das, was sie jetzt tun, gewiß nicht - und vorausgesehen erst recht nicht. Den Frankfurtern dagegen flimmert bekanntlich seit Jahren die Machtgier in den Augenschlitzen, und sie haben sich bemüht, ihrer Utopie der ökologisch kompatiblen und multikulturellen Urbanität erste Konturen einzuschreiben, die Machtambition allerorts ungeniert zu verkünden und dem ganzen Projekt einen gewissen intellektuellen Schwung zu verleihen. Zur Entfaltung einer größeren Dynamik als die Frankfurter scheint die Gesamtpartei kaum in der Lage.

V. Bislang offene Fragen

Entgegen der Analyse von Fücks/Ulrich entscheidet sich erst am Wahltag, ob Rot-Grün möglich wird. Und bekanntlich sind wir keine Zwei-Prozent-Partei mehr und erst recht keine 51 -Prozent-Partei. Mit diesen Floskeln wird die Tatsache überspielt, daß wir in die Situation kommen können, mit acht bis zehn Prozent in der Regierung konkrete Reformprojekte entwickeln zu müssen. Der Streit um letzte Wahrheiten, den viele Grüne so lieben, ist nicht nur langweilig. Er interessiert diejenigen, die heute Rot-Grün verlangen, wenig. Die offene Auseinandersetzung, welche Projekte es für den Anfang sein sollen, wollen wir sofort beginnen. Auch der für den Herbst geplante 2. Strategiekongreß sollte ein Forum der Debatte über die Reformprojekte einer rot-grünen Regierung sein.

Helmut Wiesenthal zum Beispiel schlägt als Leitlinien einer Reformpolitik, wie wir sie entwickeln sollten, vor: Gesellschaftsreform als Trial-and-Error-Prozeß. Ihm geht es nicht um feste Reformfahrpläne, sondern um Experimente und neue Optionen, um die Vielfalt lernfähiger Lebensweisen, um die Mobilisierung innovativer Binnenpotentiale trotz Weltmarktabhängigkeit und das Schaffen einer materiellen Basis für ökologische Orientierungen. Fücks/Ulrich schlagen im etwas konkreteren 2. Teil ihres Artikels vor, daß die Grünen eine Wahlplattform entwerfen müssen, „die nicht alle Wunschträume zusammenschreibt (...)“ und fordern „Schwerpunkte“. Hier fängt eine Schwierigkeit an, die wir alle gemeinsam lösen müssen. Wie kommen wir zu einer Hierarchie von Projekten, womit fangen wir an, was ist uns weniger wichtig, wieweit können wir in vier Jahren kommen, wo bestehen wir auf der eigenen Federführung, wo müssen wir sie anderen überlassen, wie gehen wir mit Zielkonflikten um?

Was ist auf Bundesebene zu tun, wenn grüne Landesverbände Müllexport bekämpfen und Müllverbrennung verbieten wollen und gleichzeitig Müllvermeidungsstrategien auf Widerstände stoßen und nicht sofort greifen? Wie muß eine rot-grüne Regierung verfahren, wenn aus ökologischen Gründen der PKW und LKW-Verkehr und der innerdeutsche Flugverkehr massiv reduziert werden sollen und gleichzeitig unter heftiger grüner Mitwirkung ganze Regionen sich gegen Schnellbahntrassen wehren? Wie läßt sich eine neue Sozialpolitik formulieren, die einerseits Basis einer ökologischen Industriepolitik ist und andererseits der strukturkonservativen Allianz von Unternehmern und Kernbelegschaftsgewerkschaften das „Arbeitsplatzargument“ aus der Hand schlägt? Wieweit können wir den Ausstieg aus der Kernenergie beschleunigen, wenn wir gleichzeitig wissen, daß die Entwicklung und der Einsatz alternativer Energiegewinnungstechnologien und Energiesparprogramme länger dauern? So klar es ist, ein Veto gegenüber der Modernisierung der Kurzstreckenraketen einzulegen und die dritte Nullösung als Regierungspolitik festzuschreiben, so schwer fällt es, eine Ostpolitik zu operationalisieren, die den Finanzbedarf der ost-mitteleuropäischen Staaten deckt, ihren Wirtschaftsaufbau fördert, ohne sie mit den Mitteln traditioneller Kreditpolitik in eine tiefere Verschuldungsabhängigkeit von den westeuropäischen Ländern zu zwingen. Sind wir noch gezwungen, den Nato-Austritt als conditio sine qua non einer auf Blockauflösung zielenden Politik zu dogmatisieren, nachdem in den letzten Monaten sich ein interessantes neues Muster angedeutet hat, wie bundesrepublikanische Politiker europäische Interessen im Bündnis zusammen mit anderen durchsetzen könnten, wenn sie hartnäckig blieben? Und sind wir wirklich genötigt, uns die gemeinsame Absicht, möglichst vielen Einwanderern und Flüchtlingen den Zuzug in die Bundesrepublik zu ermöglichen, dadurch zu verbauen, daß wir offene Grenzen beschließen und die Ängste unserer Mitbürger pauschal als miefig und spießig diffamieren?

Zugegebenermaßen fällt es uns schwer, mehr als nur Fragen zu formulieren. Das ist eine Schwäche, die wir gerade nicht überdecken, sondern beheben wollen. Im Grunde wäre eine aktuelle Wendung in der Diskussion um die Manifeste, jetzt die Arbeit an einem Regierungsprogramm aufzunehmen. Wir haben damit angefangen, wollen die Ergebnisse in die Partei einbringen und hoffen, daß die anderen Gruppierungen sich ebenfalls dieser Mühsal unterziehen. Wenn wir regieren wollen, müssen Entscheidungen her, die das Regieren erlauben.

VI. Souveräne Selbstbehauptung

als Regierungspartei

Im übrigen ist Rot-Grün 1990 nicht die wahrscheinlichste Variante. Das Verlangen, die SPD müsse „zu einer Politik getrieben werden, die eine Koalition mit der wirtschaftsliberalen FDP de facto ausschließt“, halten wir für eine Selbstüberschätzung. Abgesehen davon, daß wir dies kaum verhindern können, wäre es schlicht undemokratisch, dem anvisierten Partner vorschreiben zu wollen, wen er seinerseits für potentielle Gesprächspartner hält. Außerdem wäre es keinesweg die schlechteste Lage in der Bundesrepublik, wenn die sozialliberale Koalition in Bonn neu aufgelegt wird, diese knappe politische und gesellschaftliche Mehrheit den Grünen Gelegenheit zum informellen Mitregieren aus der Opposition bietet, und diese Koalition auf eine Bundesratsmehrheit aus roten und weiteren rot-grünen Landesregierungen angewiesen ist.

Die Bundespartei muß sich auf komplexere Lagen vorbereiten, als bloß eine sozialliberale Koalition zu verhindern. Was passiert, wenn die CDU-FDP-Koalition nicht ohne die Grünen kann? Was passiert im Fünf-Parteiensystem, wenn Rot-Grün nicht ganz reicht? Uns scheint zum Beispiel die Verhinderung einer großen Koalition den Preis von Rot-Grün plus FDP oder von Sozialliberal plus Grün wert zu sein.

Das ganze Gerede, der SPD müsse etwas aufgezwungen, sie müsse getrieben werden, entspringt der alternativlosen Selbstfesselung an einen Bündnispartner, mit dem man zutiefst unzufrieden ist. Dann muß der Partner, an den man sich auf Gedeih und Verderb gekettet wähnt, wenigstens zurechtgeknetet werden. Wir sind deshalb nicht nur gegen diese revolutionär-emphatische Überhöhung von Rot-Grün, sondern überhaupt gegen jede zu massive Selbstbindung an Rot -Grün. Rot-Grün hat bei Fücks/Ulrich fast den Charakter eines weltanschaulichen Haß-Liebe-Pakts.

Es geht um die autonome und souveräne Selbstbehauptung der Grünen als Regierungspartei der 90er Jahre und nicht um Koalitionspropaganda. Es geht um den Nachweis, daß die Grünen regieren wollen und regieren können. Je mehr die Grünen für sich als regierungsfähige Partei akzeptiert werden kann - als Ansammlung von vertrauenswürdigen, kompetenten und gewieften, aufgabenbewußten und zivilisierten Individuen, denen jede Frau und jeder Mann öffentliche Institutionen anvertrauen kann, ohne daß nachts das Licht ausgeht oder daß nachts das Licht anbleiben muß, desto wahrscheinlicher ist Rot-Grün.

Wir favorisieren eine Selbstpräsentation der Partei, die Rot-Grün glaubwürdig und wahrscheinlich macht, ohne diese Option ein einziges Mal erwähnen zu müssen.

Wesentliches Element grüner Regierungsfähigkeit wäre, daß dieser ganze Bücherwurm-Schwurbel von „wechselnden Mehrheiten“ und „Koalitionstreue, Regierung in der Opposition“, Koalition und Konflikt aus dem Verkehr gezogen wird. Die praktische Bedeutung dieser Erfindungen ist gleich Null - außer als Belegstelle für die begrenzte Regierungstauglichkeit der Grünen. Wir überhöhen die Bedeutung des Regierens nicht so wie Fücks/Ulrich gleichzeitig nehmen wir es wesentlich ernster. Regieren ist nicht so wichtig, wie der Fundamentalismus negativ und das Gemeinschaftskundelehrbuch positiv behauptet - aber es ist keine Spielerei. Man kann nicht die schiefe Formel von der Regierung in der Opposition verwenden und dann der Rot -Grünen-Regierung auch noch den permanenten Koalitionskonflikt, die Grünen als programmatisches Über-Ich ans Bein binden wollen.

Damit es keine Mißverständnisse gibt: Die Oppositionsbänke sind zwar hart, aber wir betrachten sie nicht als ein Strafbataillon.

Wenn die gegenwärtige Parallelisierung von Wirtschaft und Regierungshandeln aufgelöst werden soll und sich Politik und Wirtschaft deutlicher als die großen Kontrahenten gesellschaftlicher Steuerung herausschälen, wird Regieren zweifelsohne schwerer und unter Umständen weniger erfolgreich. Der Integrationsdruck auf Fraktionen, Regierung und sie tragenden Parteien dürfte eher größer werden.

Die Partei Die Grünen wird lernen müssen, was es heißt, Teil des Regierungslagers zu werden. Die alltäglichen Schwierigkeiten deuten sich sehr schnell an: Wo blieb die Gegendemonstration gegen die Randalierer in Kreuzberg und ihr Pendant, die Scharfmacher in der CDU, wo die Gegendemonstration der Fußgänger und Radler gegen die Berliner Motorradmachos? Wo bleiben die 400.000 Bonner Friedensdemonstranten, die dem Außenminister die öffentliche Legitimation für die Behauptung liefern, neue Kurzstreckenraketen seien in der Bundesrepublik „politisch nicht durchsetzbar“?

Wir wünschen uns das, obwohl wir wissen, daß viele unserer Freunde, wenn wir endlich an der Regierung sind, hoffen, sich wieder im Garten und in der Kneipe vergnügen zu können, während sie unsere Erfolge zufrieden oder unzufrieden aus den Nachrichtn erfahren und verreißen wollen.

Wir Realos wollen keinesfalls nächsten Montag die Partei auflösen, noch wollen wir sie verlassen müssen - deswegen wollen wir viel tun, daß wir 1990 mitregieren müssen wollen.