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Vorlauf: Chicago 1927

■ Schauplatz der Geschichte: Chicago, ein Film von Christian Bauer

(ARD, 23.10, Schauplatz der Geschichte: Chicago, ein Film von Christian Bauer) „Man erspart es sich lieber, vom berühmten Chicagoer Schlachthof zu erzählen. Wie gerne überläßt man es dem Talent eines anderen, zu beschreiben, wie aus einem angstschreienden Tier innerhalb einer Stunde ein appetitlicher Schinken wird. In dieser Hölle, die einen Mister Swift zum Multimillionär macht, werden an manchem Tag hunderttausend Tiere getötet. (Und die Menschen fressen das, fressen das - und entblöden sich nicht, an die hohe Stufe ihrer Kultur zu glauben.) Wenn man dieses Martyrium der Kreatur mitangesehen hat, sollte einem für ein Leben lang das Lachen vergehen. (Wobei die Frage ist, wem unser Mitleid mehr gelten muß: dem Tier, das zu sterben hat, oder dem Mann, dessen Lebensarbeit es ist, Stunde für Stunde, Tag für Tag wie eine Maschine zu töten - zweiundachtzigeinhalb Cent Lohn für die Stunde -, und der seinerseits auf den elektrischen Stuhl geschnallt wird, wenn er sich vergißt und einen Menschen umbringt statt eines Ochsen.) Ein Rundgang über den Schlachthof erinnert uns an das, woran wir nicht gerne denken: daß nämlich unsere gesamte Zivilisation auf einem Untergrund von Grausen, Jammer und grenzenlosem Elend steht. Berichten wir, um etwas abzulenken, vom Chicagoer Nachtleben... Die erotischen Triumphe dieser Frauen rächen ihre tief gedemütigten Brüder. Tausende werden nicht anders als die Tiere behandelt; aber irgendwo tanzen ein paar Weiber ihrer Rasse, und weiße Männer werden nach ihrem dunklen, festen Fleisch verrückt... Das ist Chicago, wo täglich hunderttausend Tiere sterben und hunderttausend Menschen hungern, weil sie keine Arbeit haben - aber man könnte dasselbe von fast allen großen Städten sagen -, das neue, riesenhafte, schmutzige Chicago im Staate Illinois am Michigansee. Mit nach Süden und Norden sich weit erstreckenden Villenkolonien; mit Museen, dreckigen Vorstädten, Bahnhöfen, Schlachthöfen. Mit Negermusik, Blutgestank, amerikanischen und deutsch-amerikanischen Spießbürgern. Starrend vor Luxus und Schmutz; verbindend zwischen Californien und New York. Wer Amerika kennen will, muß sich hier umgesehen haben.“ So beschrieben Erika und Klaus Mann das Chicago von 1927 in „Rundherum - Abenteuer einer Weltreise, Rowohlt-Taschenbuch.

A.W.

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