: Lähmung statt Zähmung in der CDU
■ Union debattiert den zukünftigen Koalitionskurs: Mit den Republikanern", mit der SPD oder gleich in die Opposition?/Bundesregierung will Flüchtlinge als Erntehelfer einsetzen und damit Sozialhilfe...
Berlin (taz) - Eine Woche nach der verheerenden Wahlniederlage der Unionsparteien und dem bundesweiten Einbruch der REPs haben CDU-Politiker immer noch keine Antwort auf den strukturellen Verlust der konservativ -liberalen Mehrheit in der Republik gefunden. Die Union scheint gelähmt, derweil die Bundesregierung die rechtsradikal wählende Bauernschaft mit einem absonderlichen Plan ködern will. Danach sollen abgelehnte, aber nicht ausgewiesene Asylbewerber ab 1990 als Hilfsarbeiter für maximal drei Monate in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Außerdem sollen Arbeitslose gezwungen werden können, Arbeit in der Landwirtschaft, in Hotels und Gaststätten anzunehmen. Damit würde der Bund auch noch die Sozialhilfekosten einsparen. Das Bundesinnenministerium bestätigte entsprechende Berichte, während das Arbeitsministerium dagegen heftig dementierte.
Unionspolitiker stürzten sich am Wochenende in eine Debatte über mögliche Bündnisse nach der kommenden Bundestagswahl Ende 1990. Zwei Konfrontationslinien innerhalb der Konservativen zeichnen sich dabei ab. So warnten erneut führende CDU-Politiker vor irgendwelchen Diskussionen über Bündnisse mit den Rechtsradikalen. Laut Heiner Geißler werde die CDU so nur den Sozialdemokraten „in die Falle gehen“. Der Verzicht auf jegliche Bündisse mit den Rechtsradikalen sei für die CDU von existentieller Bedeutung, meinte er auf einer Tagung der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung (OMV). Bei einem Liebäugeln mit den REPs drohten der Union liberal -konservative Wähler „in Scharen davonzulaufen“. Zuvor hatten OMV-Redner sich gegen eine Bekämpfung der „Republikaner“ ausgesprochen und dafür plädiert, die Möglichkeit von Koalitionen mit ihnen offenzuhalten. Gegen ein „Unvereinbarkeitsbeschluß“ im Falle von Koalitionen mit den REPs wandte sich auch der schleswig-holsteinische CDU -Landesvorsitzende Ottfried Henning. Das Parteistatut, so Henning, bedürfe keiner Ergänzung.
Der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse, Ulf Fink, hingegen Fortsetzung auf Seite 2
Siehe auch Bericht auf Seite 5
CDU...
will einen Initiativantrag auf den nächsten Parteitag der Konservativen einbringen und damit einen Beschluß durchsetzen, wonach jegliche Zusammenarbeit mit Radikalen ausgeschlossen wird.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Lothar Späth (CDU) setzte sich am Sonntag in einem Rundfunk-Interview dann am deutlichsten von jeder schwarz-braunen Bündnisarithmetik ab und verband gleich sein politisches Schicksal damit: „Solange ich in der Politik etwas zu sagen habe, gibt es keine Verbin
dung CDU-Republikaner. Ich höre vorher in der Politik auf, bevor ich mich mit diesen Rattenfängern einlasse“.
Wahltaktische Gesichtspunkte dominieren eine andere am Wochenende neu entfachte Debatte in der Union über den Verlust der Regierungsmehrheit. Auch da wieder sehr deutliche Worte von Späth: Er ist für eine große Koalition, „bevor die Union irgend etwas mit den Republikanern macht“. Doch die lehnt Heiner Geißler entschieden ab. Niedersachsens Ministerpräsident Ernst Albrecht geht noch einen Schritt weiter: Ein Bündnis mit der SPD sei nicht nur eine „miserable Lösung“. Im Falle einer Wahlniederlage sollte
die Union in die Opposition gehen, meinte er gegenüber „Bild am Sonntag“.
Die Augen vor einer Realität, die nicht sein darf, fest geschlossen, hält dagegen Theo Waigel, glückloser CSU -Vorsitzender und Bundesfinanzminister: Die Republikaner seien keine dauerhafte Partei, meinte er gestern im Deutschlandfunk.
Auch wenn sich jede Analogie verbietet, die Beschwörungen gleichen sich: So wie Weigel jetzt bezüglich der Republikaner, agierten Anfang der achtziger Jahre Sozialdemokraten gegenüber den aufkommenden Grünen.
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