EIN LIEBER SCHIEBER

■ Roger Chapman im Metropol

Scheußlich, ja, moralzerrüttend ist der ekle Sommer: die Kreuzberger Kämpfenden Truppen, die Alt-Einundachtziger und Klassenkampfstreber, sie schmurgeln im Prinzenbad, als wäre die Resolution schon erledigt; Kerle, die ihr Schuldenkonto ohnehin schon mit den drei Todsünden Goldkettchen, Vollbart und Stinkepfeife über Gebühr belastet haben, fügen jetzt noch Schiesser Feinripp, Kurzbehostheit und Lochsandalette hinzu, riechen unter den Achselhöhlen wie das Tote Meer, und überhaupt ist der Sommer ein nur zu willkommener Vorwand, die letzten Rudimente von Selbstrespekt freudig über Bord zu werfen.

Nein, wenn schon schwitzen, dann in der Sauna, im Metropol, im Konzert von Roger Chapman am Sonntagabend. Trotz Schmierhitze selbstverständlich korrekt gekleidet, reist man an und trifft im Foyer Herrn Ossing vom Wilmersdorfer Archiv für Rhythm-and-Blues-Relevantes, der, wie alle anständigen Menschen aus dem Westfälischen stammend, noch kurz die Chapmansche Vita von Family über Streetwalkers und Shortlist bis zum heutigen Tage referiert, damit die Fackel des Wissens dereinst weitergetragen werde: daß es, wenn Herr Chapman singe, klinge, wie wenn eine Ziege meckernd in einen Blecheimer pinkele, das sei nichts Neues, das sei immer schon so gewesen.

Mit Walking The Cat, dem Titelstück der neuen LP, beginnt es, federnder Backbeat, tänzelnder, von einer Note auf die andere steigender Baß, Gitarren und Keyboards ineinandergewebt, vom ersten Moment an ist die Spannung da, es schwebt. Roger Chapman singt sich ein, hopst wie Flummi und Frosch, winkt mit der rechten Hand einen imaginären Basketball dribbelnd die Lautstärke herunter, und dann singt Miter Goatthroat den Mystifix vom Musiker, seit Jahren auf der Straße, mal ganz oben, mal ganz unten, keinem Trend, sondern nur der inneren Stimme und Mission verpflichtet, they don't care where they're going, they already know just where they've been, schnarrend, raspelnd, gurgelnd und schneidend, hämmert mit umwickeltem Trommelstock auf Tambourin, Kuhglocke, Mikroständer und Mikro ein, wischt sich den Schweiß vom lachenden Knutschkugelgesicht und schleudert das Handtuch durch die Luft.

Immer ist Chapman mannschaftsdienlich, läßt Steve Simpson und Bob Tench Zeit, ihre Gitarrensoli in Ruhe aufzubauen, der Groove trägt, die alte Spezialität, zwei Stücke nahtlos ineinanderzubasteln, wird mehrfach vorgeführt, und nach einer guten halben Stunde hat Chapman den Saal. Alles ist langsame, kreiselnde, runde, gleitende Bewegung, nackte Schultern glänzen glatt, desgleichen Glatzen und schweißperlende Ententeiche hinten auf der Pläte, glitschige, heiße Körper wippen, Nüstern dampfen warm, das ganze Arsenal des Glücks wird ausgepackt.

Immer wieder dämpft Chapman die Band, bündelt sie, wirft sie nach vorn, ein Wonneproppen, der weiß, was er tut. Sixteen tons läßt er ohne die Gemütlichkeit durchs Metropol rollen, die diesem Lied fast immer angetan wird, und sein Bye bye Love, mit dem er nach gut zweieinhalb Stunden endgültig geht, hat nichts mehr von dem Plätschergeträller des Originals, Chapman hat ein kraft- und seelenvolles, wiegendes Langsam- und Engtanzstück daraus gemacht, man gibt sich hin und fällt und fällt.

Keine Erinnerung an die ersten Chappo-Zeiten ist notwendig, selbst die alten Mitstreiter Geoff Whitehorn, Tim Hinkley und Stretch vermißt man nicht, nach dem Techno Prisoners-Ausrutscher mit den Falco-Produzenten Bolland&Bolland vor anderthalb Jahren ist Roger Chapman, 47 Jahre alt jetzt, so gut wie er immer war oder noch ein bißchen besser, ein dickes großes enthusiastisches Baby, ein lieber Schieber, der eimerweise Glück verschleudert.

wiglaf droste

Roger Chapman, Walking The Cat, Maze Music, SPV08-4631