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An was erinnern?

Das Fußball-Museum im Wiener Praterstadion  ■  WIR LASSEN KONTEMPLIEREN

Die Fußballsaison in Österreich hat gerade ihren Schluß und Höhepunkt hinter sich: Nach der großen Enttäuschung, dem ausgesprochenen Debakel im letzten Jahr, hat Ernst Happels Club FC Tirol mit Hansi Müller und Bruno Pezzey sogar das Double geschafft, Meisterschaft und Cup.

So der Stand der Stunde. Mancher Fan, wenn er nicht gerade die Tiroler schätzt, mag nun weniger das Tagesgeschehen suchen als die Historie, weniger die Spannung im Stadion als die museale Aufbereitung, weniger die Hektik als die Kontemplation - diesem Fan kann Wien mit seinem Fußballmuseum im Praterstadion dienen.

Eine Stätte der Erinnerung und Wahrung. Nur, an was erinnern, wenn es an geschichtsträchtig-bedeutenden Ereignissen mangelt, was wahren, wenn kein Weltmeistertitel, keine Europacup-Schale zu präsentieren ist? Österreich ist nun einmal das Land, wo traditionell der Skisport die identitätsstiftende Domäne ist, wo Karl Schranz und Franz Klammer das sind, was hier Uwe Seeler und Franz Beckenbauer verkörpern, kurz: wo der Fußball erst an zweiter Stelle kommt.

Also sind unter anderem Briefmarken der Deutschen Bundespost hinter Glas ausgestellt, Sonderdrucke zur WM '74; oder eine Porzellanvase, überreicht vom ungarischen Fußballverband beim letzten Freundschaftsspiel; aber auch das Foto von Hans Krankls Sprung in die Lüfte nach seinem legendären Tor beim 3:2 im argentinischen Cordoba 1978.

Angereiste Nachbarn könnensich ein genaues Bild machen über die deutsch-österreichischen Spiele. Bis zum heutigen Tag trafen beide 29mal aufeinander, zeigt die Schautafel: 16 Niederlagen für Österreich, acht Siege und fünf Unentschieden.

Bei der WM '54 in der Schweiz überrumpelten Fritz Walter & Co. die Österreicher mit 6:1, und doch hatten diese Grund zur Freude, konnten sie doch mit dem dritten WM-Platz den größten Triumph ihrer Fußballgeschichte feiern: „Unvergessen die Hitzeschlacht gegen die Schweiz. 0:3 lag unser Team zurück, 7:5 siegte es dennoch.“

WM '82 in Spanien: Beide Mannschaften in der gleichen Gruppe, beide schieben sich zum Schaden der afrikanischen Emporkömmlinge aus Algerien in voller Eintracht gegenseitig den Ball zu, tun sich nichts und kommen gemeinsam in die nächste Runde. In die Räume der Geschichte ist das als „Unspiel“ eingegangen.

Der Blick wird auch weiter zurückgeworfen, als der Ball noch eine dicke Naht hatte, als die Spieler noch in knielangen Hosen steckten, als die Kickerstiefel noch Stahlkappen hatten: in die 30er Jahre. Österreichs damaliges „Wunderteam“ wurde von bösen Zungen „Schmieranski-Team“ genannt, am 24.5.31 fegte es die Deutschen in Berlin mit 6:0 vom Platz.

Zur Strafe mußten die österreichischen Scheiberl-Künstler bald darauf mit den vormaligen Gegnern gemeinsam in einer Mannschaft stürmen.

Wenzel Müller

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