: „Sicherheit der Allgemeinheit geht vor“
■ Sieben Jahre und drei Monate Knast für 29jährigen Angeklagten, der zwei Frauen überfallen hatte, um sie zu vergewaltigen / Anschließend muß der Angeklagte für maximal zehn Jahre in Sicherungsverwahrung
Sieben Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe und anschließende Sicherungsverwahrung verhängte gestern die 11. Strafkammer des Landgerichts gegen einen 29jährigen Angeklagten, der kurz nacheinander zwei Frauen überfallen hatte, um sie vergewaltigen (siehe taz vom Dienstag). Das Urteil erging wegen wegen versuchter und vollendeter Vergewaltigung sowie sexueller Nötigung und Körperverletzung. Der Angeklagte muß außerdem an das zweite Opfer 10.000 Mark Schmerzensgeld zahlen.
Der 29jährige Chris W. beging die Taten, nachdem er zwei Monate zuvor nach einer dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe wegen versuchter Vergewaltigung aus dem Knast entlassen worden war. Nachdem er eine Menge Alkohl getrunken hatte, versteckte er sich am 28.Januar gegen 2.30 Uhr in einem Hausflur in der Weddinger Schwedenstraße und überfiel die 23jährige Studentin Anna H., die gerade auf dem Nachhauseweg war. Er hatte sie in den Hausflur gezerrt und mit einem Brotmesser bedroht. Die Studentin hatte sich heftig gewehrt und es schließlich geschafft zu entkommen. Wenig später hatte Chris W. in einem Hauseingang in der Buttmannstraße der 27jährigen Studentin Hilga B. aufgelauert, die beim Zeitungsaustragen war. Er hatte der Frau von hinten auf den Kopf und ins Gesicht geschlagen, bevor er sich mehrfach an ihr verging. Vor Gericht hatte Chris W. die Taten in einem kurz gehaltenen Geständnis zugegeben, aber erklärt, daß er sich weder an den Verlauf noch an Einzelheiten erinnern könne.
Der Vorsitzende Richter Falkenberg bezeichnete den Angeklagten in der Urteilsbegründung als einen „schwierigen Menschen“, der unter Persönlichkeitsstörungen leide, die jedoch nur von „geringen Krankheitswert“ seien. Das Gericht hatte laut Falkenberg „keinen Zweifel“ an Chris W.s Schuldfähigkeit. Der Angeklagte sei ein gefährlicher Hangtäter und müsse aus diesem Grunde zum Schutz der Allgemeinheit in Sicherungsverwahrung untergebracht werden. Sicherungsverwahrung bedeutet, daß der Angeklagte im Anschluß an die Freiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten zusätzlich bis zu zehn Jahren in einem gesonderten Bereich des Strafvollzugs untergebracht wird. In dieser Zeit wird zwar regelmäßig überprüft, ob die Anordung aufrechterhalten werden soll. Aber der Richter wies den Angeklagten aber schon darauf hin, daß er sich auf insgesamt 17 Jahre Haft einstellen müsse, sofern mit ihm in kommenden Zeit „nichts Grundsätzliches“ geschehe. Denn, so Falkenberg, „die Sicherheit der Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern hat Vorrang“.
Der Staatsanwalt hatte eine Freiheitsstrafe von acht Jahren und anschließende Sicherungsverwahrung gefordert. Rechtsanwältin Selig, die die Nebenklägerin HilgaB. vertrat, war der Auffassung, das acht Jahre das „untere Maß“ der in Betracht zu ziehenden Strafe seien, weil Hilga B. „in nicht zu überbietendem Maße drangsaliert und gequält“ worden sei. Des weiteren beantragte Selig, daß Chris W. nach der Verbüßung der Haftstrafe in eine Entziehungsanstalt komme und erst dann in Sicherungsverwahrung untergebracht werde. Demgegenüber sprach sich die Anwältin von Anne H., Leppers, gegen eine Unterbringung in einer Alkoholtherapieanstalt aus, weil der Angeklagten dafür nicht motiviert sei. Der Verteidiger Scholz hat die Anträge der „Gegenseite“ als „zu hoch“ bezeichnet, weil andere Strafkammern solche Strafen bei „ganz anderen Fälle von Vergewaltigung“ verhängten.
plu
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