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„Nicht auf Soziologenniveau diskutieren...“

MdB Horst Niggemeier (SPD), ehemals zweitmächtigster Mann in der IG Bergbau, empfiehlt der SPD die „Arbeit am Menschen“  ■ I N T E R V I E W

taz: Die Landes-SPD hat immer behauptet: „Wir in Nordrhein -Westfalen sind resistent gegen die „Republikaner“.“ Haben die Ergebnisse der Forsa-Umfrage Sie überrascht?

Horst Niggemeier: Nein, so etwas Ähnliches habe ich immer vermutet. Aber ich wollte nicht daran glauben, weil ich denke, daß Leute in bestimmten Notsituationen erkennen, daß es keine Schnellschußlösungen geben kann. Man kann nicht von heute auf morgen neue Wohnungen bauen oder - um es mal etwas widersinnig zu formulieren - die Attraktivität der Bundesrepublik für Zuzugswillige mindern.

Die sozialen Probleme in NRW zu lösen oder zu mildern, hat die SPD vier Jahrzehnte Zeit gehabt. Die Tatsache, daß Teile der Arbeiterschicht von der SPD zu den „Republikaner„n wechseln, spricht nicht gerade für die im Ruhrgebiet besonders mächtigen Gewerkschaften. Ist die sozialdemokratische Integrationskraft der IG Bergbau und Energie dahin?

Es ist überhaupt nicht gut, wenn Wähler von einer klassischen demokratischen Partei weggehen und sich extrem entscheiden. Nicht nur die SPD, auch CDU und FDP haben an die „Republikaner“ verloren. Hinsichtlich der IG Bergbau und Energie wehre ich mich scharf dagegen, die Wahlverluste auf ein bergarbeiterspezifisches Problem zu reduzieren. Viel größere Zuwächse der „Republikaner“ als in Bergarbeiter -Wahlbezirken gibt es in anderen Regionen. Die IG Bergbau hat seit Jahren eine intensive Ausländerarbeit betrieben. Die Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Türken am Arbeitsplatz klappt ausgezeichnet. Probleme gibt es zweifelsfrei am Wohnort.

SPD-Fraktionschef Friedhelm Farthmann hat der SPD empfohlen, deutlicher zu „emotionalen Werten wie Heimat, Vaterland und dem Wunsch nach Wiedervereinigung zu stehen“. Was würden Sie Ihrer Partei raten?

Ich stimme Herrn Farthmann zu. Der eigenen Partei kann man eigentlich nur empfehlen, nicht auf einem abgehobenen Soziologen- oder Politologen-Niveau zu diskutieren, sondern die Sorgen, Nöte und Ängste derer ernst zu nehmen, die mit der Hand ihren Lebensunterhalt verdienen.

Genau diese - mit Verlaub gesagt - Arbeitertümelei haben Revier-SPD und Gewerkschaften offiziell immer vertreten. Faktisch werten viele Menschen inzwischen das Verhalten der SPD in der Region als „Arroganz der Macht“.

Ich weiß nicht, ob diese Vorwürfe richtig sind. Als Bürgermeister von Datteln kümmere ich mich um jeden einzelnen Fall. Und das seit 23 Jahren. Es gibt arrogante Journalisten bei der taz, die wissen alles besser. Warum soll es keine arroganten Sozialisten geben? Nur die Arbeit am Menschen bringt einer Partei Vertrauen. Das - und nicht der Sitzungssozialismus auf Arbeitstagungen oder Symposien muß intensiviert werden.

Interview: Petra Bornhöft

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