piwik no script img

Bei Ehekrise Wohnungskündigung

■ Die US-Army setzt deutsche Ehefrauen amerikanischer Soldaten samt ihrer Kinder vor die Tür, wenn sie sich von ihren Männern trennen / Die Kündigungsfrist beträgt einen Monat / Kommentar der US-Army: Das Wohnrecht in der US-Siedlung ist ein „Privileg“

„That's your problem. Das ist Ihr Problem.“ Diese Antwort hat Sabine K. in den letzten Wochen unzählige Male bekommen. Immer wieder hatte die Mutter zweier kleiner Töchter bei der US-Armee in Düppel vorgesprochen und gebeten, sie nicht auf die Straße zu setzen. Vergebens: seit einer Woche wohnt Sabine K., bislang Bewohnerin einer US-Armeewohnung in Düppel, in einer Ein-Zimmer-Notunterkunft am Stadtrand. Ihre Kinder wurden in der Küche einquartiert.

Die 24jährige war eineinhalb Jahre lang mit einem in Berlin stationierten US-Soldaten verheiratet gewesen. Der Berlinerin brachte das einige Annehmlichkeiten: eine Wohnung in der US-Siedlung im Grünen, eine Einkaufskarte für den billigen PX-Supermarkt, das medizinische Versorgungssystem der Army und die kostenlose Schule für die Kinder. Doch die deutsch-amerikanische Ehe ging nicht lange gut. Nachdem ihr Mann sie wiederholt bedrohte und mißhandelte, wurde die Scheidung beschlossen. Der rabiate Ehemann wurde - wie in solchen Fällen üblich - in die Kaserne einquartiert. Sabine K. wurde sofort die Wohnung gekündigt. Räumungssfrist: 30Tage.

„Ich bin immer wieder zur Wohnungsverwaltung gegangen und habe um Aufschub gebeten“, erzählt die 24jährige. Denn innerhalb eines Monats eine Wohnung zu finden, sei „völlig unmöglich“ gewesen. Doch das Wohnungsamt blieb hart.

„Niemand hat das Recht hier zu wohnen, das ist ein Privileg“, erläutert die Pressestelle der US-Army die Kündigungspraxis in der Army-Siedlung. Die Wohnungen würden dringend für neuankommende Soldatenfamilien gebraucht, die „bei der momentanen Wohnungssituation in Berlin als Amerikaner keine Chance auf dem freien Markt haben“. „Dennoch gibt es bei uns keine Hau-Ruck-Verfahren“, betont die Army-Pressestelle. „Wir geben oft sogar 45Tage Zeit, die Wohnung zu räumen. Bis jetzt hat sich auch noch niemand beschwert.“

„Als Ehefrau eines US-Soldaten hast du überhaupt keine Rechte“, kommentiert Sabine K. verbittert ihren Rauswurf. Widerstand habe keinen Zweck gehabt, meint sie und erzählt die Geschichte, die unter den deutschen Ehefrauen in der Siedlung die Runde macht: Eine Deutsche sei „in Handschellen abgeführt worden“, als sie sich weigerte, die Wohnung zu verlassen. „Manchmal hatte ich das Gefühl, die haben sich alle gegen mich verschworen“, so Sabine K. Als sie die Militärpolizei rief, weil ihr Mann sie schlug, „haben die nichts gemacht“.

Nach deutschem Recht hätte Sabine K. als Mutter zweier Kinder niemals so schnell die Wohnung verlassen müssen. Bei Scheidungen entscheidet in der Regel das Familiengericht, wer nach der Trennung die gemeinsame Wohnung benutzen darf. Gewöhnlich ist das der Ehepartner, der die Kinder zu sich nimmt. Selbst wenn der Mietvertrag mit dem Ehemann geschlossen wurde, kann der Vermieter vom Gericht gezwungen werden, der alleinerziehenden Mutter einen neuen Mietvertrag auszustellen.

Doch in der US-Siedlung Düppel gilt deutsches Recht nicht und so blieb Sabine K. nur der Weg zum Sozialamt. 75Mark pro Tag zahlt das Amt an Miete für die Ein-Zimmer-Notunterkunft. „Und 11,05Mark bekomme ich, um mich und die beiden Kinder zu ernähren.“

„Amerikanische Ehefrauen setzen die gleich ins Flugzeug“, weiß Sabines Freundin Claudia zu berichten, der ebenfalls Scheidung und Kündigung drohen. Sie war zehn Jahre lang mit einem US-Soldaten verheiratet. Drei Kinder stammen aus der Ehe. Bis zu ihrem achtzehnten Lebensjahr behalten die Kinder beide Staatsbürgerschaften und solange der Vater bei der Army ist, haben sie auch ein Recht auf eine Wohnung. „Die Kinder dürfen in der Wohnung bleiben, aber ich muß raus“, erzählt Claudia R. Doch die Eheleute haben sich darauf geeinigt, daß die Kinder bei der Mutter bleiben sollen. „Das interessiert die überhaupt nicht. Die haben mir gesagt, ich muß gehen“, schildert Claudia R. ihre Diskussionen mit dem Wohnungsamt der Army. „Aber ich laß mir doch nicht meine Kinder wegnehmen.“ Auch sie sucht seit Monaten vergebens nach einer Wohnung für sich und ihre Kinder. Noch hat sie Aufschub, denn ihr Ehemann hat sich von ihr überreden lassen, noch eine Weile in der gemeinsamen Wohnung zu bleiben. Sobald er auszieht, läuft die 30-Tage-Frist: Für Claudia R. und ihre Kinder würde das den Einzug ins Obdachlosenasyl bedeuten.

taz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen