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...und überall lauert das Reagenzglas

■ Leichtathletik-Europacup in Gateshead/England: Vierter Platz für BRD-Frauen, Männer schaffen Klassenerhalt

Berlin (taz) - Es sei dahingestellt, ob der sanfte Niedergang der letzten Jahre nun an ungenügender Versiertheit im Dopinggebrauch, an höherer Moral, an der Unfähigkeit der Funktionäre oder einfach daran lag, daß die anderen besser sind, Tatsache ist, daß die bundesdeutsche Leichtathletik in Europa an Gewicht verloren hat. Bestes Beispiel: der Protest des Deutschen Leichtathletikverbandes (DLV) gegen die Disqualifikation des 1.500-Meter-Läufers Dieter Baumann beim Europacup im britischen Gateshead. Zu Beginn des Endspurts soll der Olympiazweite über 5.000 Meter den Italiener Gennaro di Napoli behindert haben, eine Kollision, die sogar der Geschubste selbst alltäglich fand: „Solche Situationen kommen in jedem Rennen vor.“ 100Mark mußte der DLV für das Recht berappen, überhaupt protestieren zu dürfen, und wurde dann nicht einmal einer prompten Antwort für würdig befunden. Erst einen Tag nach der Entscheidung, daß die Bestrafung Baumanns, die den dritten 1.500-Meter-Platz und damit sechs Punkte kostete, bestehen bleibe, wurde sie den ungeduldig harrenden Offiziellen mitgeteilt. Nicht gerade ein Ausdruck hoher Wertschätzung der europäischen Funktionärskollegen, „ein Skandal für sich“, wie DLV-Präsident Helmut Meyer befand.

Das Malheur Baumanns brachte die Männer aus der Bundesrepublik in akute Abstiegsgefahr. Doch vor allem die Siege von Edgar Itt über 400Meter (45,43 Sekunden) und Heinz Weis im Hammerwerfen (79,86Meter), sowie die zweiten Plätze von Harald Schmid (400-Meter-Hürden), Karsten Stolz (Kugelstoßen), Peter Braun (800 Meter), Christian Thomas (Weitsprung), Wolfgang Zinser (Dreisprung), Bernhard Zintl (Stabhochsprung) und der 4x400-Meter-Staffel brachten noch den rettenden sechsten Platz mit 91Punkten. Dies war allerdings das schlechteste Abschneiden in den bisherigen zwölf Europacups. Sieger wurden zum erstenmal die gastgebenden Briten, die gestützt auf ihre schwarzen Sprinter Linford Christie, Colin Jackson und John Regis, neun der 20 Wettbewerbe gewannen und mit 114 Punkten die Sowjetunion (107) hinter sich ließen. Beide Teams sind damit für den Weltcup vom 8.-10.September in Barcelona qualifiziert. Absteigen müssen die CSSR und Spanien.

Bei den Frauen triumphierte einmal mehr souverän die DDR, die in elf von 16 Disziplinen die Siegerinnen stellte, mit 120 Punkten vor der UdSSR (95). Absteigerinnen sind die CSSR und Bulgarien. Die Bundesrepublik belegte hinter Großbritannien einen respektablen vierten Rang. Herausragend die zweiten Plätze von Claudia Losch im Kugelstoßen (20,17Meter), Brigitte Braune im Speerwerfen (62,04Meter) und Claudia Zaczkiewicz über 100-Meter-Hürden (12,82Sekunden).

Bemerkenswert war vor allem das verdächtige Fehlen jeglichen Rekordes. Kaum sind die ersten Dopingfahnder ausgeschwärmt, um hier und da erbarmungslos und unvermutet mit ihren Reagenzgläschen zuzuschlagen, fielen die Leistungen in Gateshead, vor allem in den Wurfdisziplinen, auf das Niveau von „vor zehn bis fünfzehn Jahren“ (dpa), wobei allerdings nicht vergessen werden darf, daß an den zwei Wettkampftagen ein stetiger, widriger Wind wehte.

„Unsere Frauen waren besser als gedacht“, bilanzierte Helmut Meyer halbwegs zufrieden, „bei den Männern schnitten Sprint und Langstrecke katastrophal ab.“ Für die Zukunft hat der frischgekürte DLV-Präsident, auch „Leistungsmeyer“ genannt, jedoch Größeres vor: „Die neue Führung kann in dieser kurzen Zeit und in dieser Saison noch nichts bewegen.“ Wie beruhigend. Es lag also doch nur an den Funktionären.

Matti

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