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Aufbruch zu neuen Ufern

■ Die Kulturetage Oldenburg feiert heute den Start ins zweite Leben mit einem ausschweifenden Fest

Der flüchtige Blick in den Innenhof der Bahnhofstraße 11 wird hastige Passanten nicht zum Verweilen bewegen. Weder der schmale Korridor noch die zu beiden Seiten schmucklose Fabrikarchitektur lassen vermuten, daß sich hinter den Gemäuern Bemerkenswertes verbergen könnte. Übervolle Schuttcontainer bevölkern den Hof, die Überreste eines rostigen Krangewindes lugen aus dem Dachgiebel. Altlasten aus vergangenen Gewerbetagen. An der Außenfront eine Uhr, der man ansieht, daß sie seit Jahrzehnten filterlose Zigaretten raucht. Viertel nach zehn. Tagein, tagaus.

Was beim ersten, flüchtigen Hinsehen wie die morbide Atmosphäre einer Industrie-Brache anmutet, entpuppt sich beim interessierten Blick hinter die Fassaden als ehrgeiziges Kultur-Projekt.

Auf zwei Etagen und 700 qm präsentiert sich der Landgewinn der Oldenburger Kulturetage. Wo einst in niedrigen und dunklen Räumen Farben lagerten, haben sich die MitarbeiterInnen eine Umgebung geschaffen, die zu den eigenen kulturpolitischen Vorstellungen paßt. Ein großzügiger Medienraum, eine gut sortierte Werkstatt, das Fotolabor. Schmuckstück aber sind zwei opulente Vorstellungsräume mit durchgehender Galerie.

Der räumliche, konzeptionelle und finanzielle Aufbruch zu

neuen Ufern war folgerichtig, wenn auch riskant, glaubt man den Worten der KulturmacherInnen. Die alten Räumlichkeiten, die beibehalten werden (ebenfalls 700 qm) waren durchweg mit eigenen Produktionen oder freien Theatergruppen belegt. Der Kultur von unten fehlte die räumliche Gelegenheit, experimentelle Ideen auch umzusetzen. Die neuen Räume machen dies möglich. Theatergruppen aus nah und fern steht, eine Seltenheit in diesem Metier, ein Probenraum auch für längere Zeit zur Verfügung. Als Gegenwert könnten die Gruppen zu Gastspielen auf der Kulturetagen-Bühne verpflichtet werden. In Hinblick auf die selbst produzierte „Trilogie“ (deren dritter Teil am 20.12. Premiere haben wird) erfüllt sich nun ein langgehegter Wunsch. Theaterleute und Gestalter können räumlich enger zusammenarbeiten, den „gemeinsamen Arbeitsprozeß projektgerechter gestalten“, wie es Tina Harms, die Pressesprecherin der Kulturetage formulierte.

Mit dem Ausbau der Hallen, den die MitarbeiterInnen innerhalb weniger Monate und mit viel finanzieller Eigenbeteiligung auf die Beine gestellt haben, ist auch die Professionalisierung der künftigen Arbeit verbunden. Bis zum Jahre 1993 ist die Anmietung letzter Restflächen und die perso

nelle Ausstattung mit acht Stellen geplant. Der jährliche Zuschuß, der dann auf die Stadt Oldenburg zukommen würde, beläuft sich auf runde 560.000 Mark. Vergleichsweise wenig, wenn man sich den Etat fürs städtische Theater anschaut.

Mit dem Start ins zweite Leben ist die Kulturetage endgültig zu dem Oldenburger Kulturzentrum geworden. Auch wenn die Nachbarschaft dies nicht vermuten läßt. Bahnhofsnähe und Hafenrand, das Moravia-Bier-Stübchen nebenan beherbergen ein Milieu,

das nicht zur Stammkundschaft der Kulturetage zählt. Doch fremd zu sein im eigenen Land ist Schicksal wie Zuflucht. Heute abend ab 20 Uhr, wenn es gilt, das neue Domizil zu feiern und zu rühmen, Zuflucht für viele.

Andreas Hoetzel

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