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Freya Klier-betr.: "Apartheid in der AL", taz vom 22.8.89, Leserbriefe dazu, taz vom 30.8.89

betr.: „Apartheid in der AL“, taz vom 22.8.89, Leserbriefe dazu, taz vom 30.8.89

(...) Es ist verständlich, daß die satte, privilegierte BRD -Linke nicht glücklich darüber ist, wenn die Germanen aus dem Osten in ihr Schlaraffenland vordringen und an ihren Privilegien (dem zügellosen, zuweilen „alternativen“ Konsum oder ihren Vergnügungsreisen in die Toskana oder die Türkei) teilhaben wollen. Darüber hinaus haben die deutschen Linken ein gestörtes Verhältnis zum Stalinismus, das an das Verhältnis der deutschen Rechten zum Nationalsozialismus erinnert: sie lehnen ihn ab, aber... Immerhin haben die Stalinisten die „Bourgeoisie enteignet“ (ihr Eigentum sich selber unter den Nagel gerissen) und einen „Sozialismus“ aufgebaut, während die hiesige linke Szene ihre Revolutionsträumereien in ihren stickigen Bierkneipen ausleben muß.

Freya Klier hat völlig recht, wenn sie der AL ein Apartheid -Denken vorwirft, wenn diese den DDR-EmigrantInnen Menschen und Bürgerrechte vorenthalten will - die ihnen zustehen, wohlgemerkt nicht weil sie germanisches Blut vorweisen können, wie vom GG gefordert, sondern einfach weil sie Menschen sind - und sie wie „Nicht-EG-AusländerInnen“ also als rechtlose Subjekte, behandeln lassen will. Eine Haltung, die Diskriminierungen hierzulande durch die Erweiterung des Kreises der Diskriminierten durch „Ausländerisierung“ der DDR-Flüchtlinge „aufheben“ will, während die alternativen „BundesbürgerInnen“ ihre westdeutschen Pässe, mit denen sie überall nach Lust und Laune rumreisen und alle anderen Privilegien behalten, ist nichts anderes als Apartheid. (...) Die AL-StaatsträgerInnen wären mit ihren Entrechtungsforderungen erst dann glaubwürdig, wenn sie ihre bundesdeutschen Pässe öffentlich verbrennen und bei „ihrer“ Berliner Ausländerbehörde Fremdenpässe beantragten. (...)

Yossi Ben-Akiva, Tübingen

Eingestanden, mit „Apartheid“ schießt Freya Klier übers Ziel hinaus, die Reaktionen darauf grenzen jedoch schon wieder hart daran. Da wird so massiv verallgemeinert und geschulmeistert, als hätten es die BriefeschreiberInnen mit einem ganzen Volk von geldgierigen Dummköpfen zu tun. Da schreibt ein/e Feldmann über die „Denkfaulheit“ und die politische Teilnahmslosigkeit ehemaliger DDR-BürgerInnen, die, wenn überhaupt, nur noch CDU wählen. Wie gesagt, aus „Denkfaulheit“. Wen wundert dies aber? Von der Linken werden alle, die aus dem Osten kommen, doch im Regen der Rechten stehengelassen. Desweiteren kann es auch nicht gut sein, wenn zwecks Gleichberechtigung von Asylsuchenden, Über- und UmsiedlerInnen, alle gleich schlecht behandelt werden. Ein Gleichgut müßte doch im Interesse aller sein.

Und noch etwas. Wie sollte ein/e DDR-BürgerIn einen Asylantrag stellen können, wenn er/sie überhaupt keine MÖglichkeit hat, das Land zu verlassen? Wie mir bekannt ist, stellt man einen solchen Antrag nicht dort, wo man verfolgt wird.

Ich wollt‘ noch mehr schreiben, aber mein Bauch ist voll Wut ob dieser Arroganz der LeserbriefschreiberInnen, die von Widerstand und Kämpfen faseln und scheinbar nicht die geringste Ahnung haben, daß es „drüben“ ein wenig anders läuft als hier. In der Bundesrepublik ist Platz für alle, auch für meine „denkfaulen“ Freunde, die mir noch folgen werden.

Olaf Bretschneider, früher Dresden

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