: Mehr als Schilderwald und Pfahlpflanzprogramm
■ Innenstadt-Beiräte lehnen Senatoren-Vorschlag ab und fordern Gesamtkonzept für den Verkehr / Einwohnerversammlung am 20. September
Eine „fußgängerähnliche Umgestaltung“ hat Bausenator Kunick in seinem „ÖPNV-Konzept 1989“ für Ostertorsteinweg und Vor dem Steintor als „mittelfristige Maßnahme“ vorgeschlagen. Bis Ende Oktober sollen die betroffenen Beiräte eine Stellungnahme dazu abgeben. „Wir lehnen eine Obernstraße im Viertel ab“, erwiderten gestern allerdings übereinstimmend die beiden SprecherInnen der Beiräte Mitte und östliche Vorstadt. Schon die Nennung des Reizworts „Fußgängerzone“ habe zu deutlicher Erhöhung der Ladenmieten geführt. Am kommenden Mittwoch, 20. September, sollen auf einer großen Einwohnerversammlung Alternativen gesammelt und diskutiert werden.
Bereits im April hatte der Beirat einstimmig beschlossen, daß als Alternative zur Vollsperrung geprüft werden soll, das Steintor ab Sielwall zur Einbahnstraße zu erklären. Die zweite Fahrspur könnte dann zu einem breiten Fahrradweg ausgebaut werden und die Straßenbahn könnte tatsächlich mit 30 km/h das Nadelör passieren, in dem sie bislang zumeist im Stau steht. Ein höheres Tempo, wie es das Senatoren-Konzept mit dem Namen „Stadt
bahn“ für die Linie 2 verknüpft, halten die Beiräte jedoch nicht für sinnvoll. „Dann würde das Viertel quasi in zwei Hälften zer
schnitten“, gab der Beiratssprecher Mitte, Wegner, zu bedenken. Auch eine Hochpflasterung müßte „zumindest für Fahrräder
und Kinderwagen leicht passierbar bleiben“, pflichtete die Beiratssprecherin östliche Vorstadt, Pensky, bei.
Für Innenstadt-„Bürgermeister“ Hucky Heck ist das Verkehrsproblem nicht durch einäugige Beschleunigung der Straßenbahn zu lösen. Er sieht vielmehr eine „Gleichung mit vier Bekannten“: Fahrrädern, Fußgängern, Autos und ÖPNV. Alle zusammen führten in der gegenwärtigen Mischung zu besonders vielen und schweren Unfällen im unübersichtlichen Steintor. Da jedoch Straßenbahn, Fußgänger und Fahrradfahrer nicht aus dem Viertel vertrieben werden könnten, hält er eine Entzerrung der Verkehre nur beim Auto für möglich. Dem will er nicht nur den Durchgangsverkehr vermiesen, sondern auch das Zuparken der Bürgersteige.
„Es wird einen Schilderwald und ein Pfahlpflanzprogramm im Viertel geben“, kündigte Heck an, „aber das kann nicht alles sein.“ Parkplätze sollen künftig nicht mehr vor der Haustür zu finden sein. Schließlich sei es „durchaus zumutbar, morgens erstmal zehn Minuten zum Sammelparkplatz zu gehen“, um dann mit dem Auto weiterzufahren. Der Senat wird aufgefordert, leerstehende Grundstücke, die vom Beirat für diesen Zweck aufgelistet worden sind, aufzukau
fen. „Die Parkplätze werden dann eingezäunt und beleuchtet, damit die Autos am nächsten Morgen auch noch dastehen“, erläuterte Heck. „Und wir stellen Parkwächter ein, das schafft Arbeitsplätze“, ergänzte Pensky.
Die neuen Großparkplätze könnten auch für den Park&Ride -Verkehr in die Innenstadt Verwendung finden. Außerdem schlagen die Beiräte vor, die „Bremer Karte“ der BSAG gleichzeitig als „Passierschein“ für Auto-Fahrten in den Innenstadtbereich zu verwenden. Das würde nicht nur der BSAG zusätzliche Einnahmen verschaffen, sondern besonders penetrante Autofahrer vielleicht auch ins Grübeln bringen, ob sie nicht doch lieber mit Bus und Bahn schnell in die Innenstadt rollen sollten, als mit ihrer Blechkiste im Stau zu stecken. Die erste Chance für ein solches Vorhaben scheint allerdings gerade verpaßt. Ein Modellprogramm, das von der Bundesregierung zu 80 Prozent gefördert wird, hat die Daimler-Stadt Stuttgart bereits für sich beantragt.
Ase
Einwohnerversammlung am Mittwoch, 20.9., 19 Uhr, in der Schule Lessingstraße (Eingang St.-Jürgen-Str.)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen