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Vergewaltigung

■ „In besonderen Situationen“ ist Zwang kein Zwang

47 Prozent der britischen Frauen und 49 Prozent der Männer sehen die Erzwingung des Geschlechtsverkehrs durch Gewalt unter bestimmten Umständen nicht als Vergewaltigung an. Das behauptete Paul Pollard, Professor für Psychologie an der Universität Lancashire, vor dem Jahreskongreß der „Britischen Gesellschaft für die Förderung der Wissenschaft“. Pollard stützte seine Aussage auf Untersuchungen von Fällen, die in den Vereinigten Staaten „date rapes“ (Rendezvous-Vergewaltigungen) genannt werden. Nach einer Studie der US-amerikanischen Psychologin Mary Koss wird ein Sechstel aller Frauen in den USA zum Geschlechtsverkehr gezwungen, bevor sie 20 Jahre alt sind. Drei Viertel von ihnen sehen das jedoch „wegen der besonderen Situation“ nicht als Vergewaltigung an. Die meisten von ihnen hatten den Täter nach einer Verabredung in dessen Wohnung begleitet.

Pollard warnte, daß sich auch in Großbritannien eine Kultur entwickle, die Vergewaltigungen fördert. Er sagte: „Die Tendenz, bestimmte Umstände nicht als Vergewaltigung zu definieren, gibt zur Sorge Anlaß. Bei Vergewaltigungen gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen Einstellung und Verhalten.“ Pollard kritisierte, daß es in Großbritannien keine Studien über sexuelle Aggression gebe. Bisher werde lediglich angenommen, daß das Problem geringer als in den USA sei. „Dafür gibt es jedoch keine Beweise“, sagte Pollard.

Auf derselben Veranstaltung sagte die Soziologin Diane Richardson von der Universität Sheffield, daß britische Frauen machtlos seien, wenn es darum gehe, „Safe sex“ durchzusetzen: „Viele Frauen, die eine Aids-Ansteckung riskieren, haben nicht die wirtschaftliche und soziale Macht, um sich vor der Infektion zu schützen.“ Dagegen mache die Aids-Kampagne der britischen Regierung die Frauen für die Verminderung der Ansteckungsgefahr verantwortlich, sagte Diane Richardson. Dagegen müsse die Benutzung von Kondomen als „maskulin, erotisch und befriedigend“ dargestellt werden. Ein Schritt in diese Richtung wäre die Veröffentlichung von „Safe-sex-Pornographie“, glaubt die Soziologin.

Ralf Sotscheck

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