: Schildkrötenfete
■ Kreuzberger Verein „Jugendwohnen im Kiez“ zog an seinem zehnten Geburtstag positive Bilanz
Zehn Kerzlein zündete der Verein „Jugendwohnen im Kiez“ gestern anläßlich seiner Geburtstagsfete in der Kreuzberger Boppstraße an: Seit 1979 kümmert sich der Verein speziell um Jugendliche ab 16 Jahren, die aus „schwerwiegenden Gründen“ nicht mehr bei ihren Eltern leben können und bietet ihnen neben 71 Plätzen in „Jugendwohngemeinschaften“ zugleich Beschäftigungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten.
1983 startete der Verein eines der ersten Selbsthilfeprojekte Berlins: Unter Anleitung von Handwerkern und Pädagogen setzten elternrenitente Jugendliche drei leerstehende Kreuzberger Hinterhäuser instand. Als Gegenleistung für ihre Arbeit konnten sie dann zum Quadratmeterpreis von freundlichen zwei Mark einziehen. Ein Jahr später nahmen die BesetzerInnen der Görlitzer Str.37 dieses Modell dankbar auf: Das Sozialamt Kreuzberg zahlte im Rahmen des „501-Programmes“ den renovierenden Punks statt der Sozialhilfe die Lohnkosten. Initiator und Arbeitgeber: „Jugendwohnen im Kiez“. Das neueste Projekt: Seit Anfang des Jahres bruzzeln 15 jugendliche Sozialhilfeempfänger im vereinseigenen Restaurant „Schildkröte“ in der Boppstr.7 Vollwertkost. Die Mahlzeiten, die die „Schildkröte“ auch als fahrbaren Mittagstisch an Kinderläden und soziale Einrichtungen liefert, kosten für Schüler, Arbeitslose und andere „sozial Benachteiligte“ vier Mark. Trotz dieser guten Bilanz gab Geschäftsführer Fleischmann der zum Geburtstagsgruß in die „Schildkröte“ geeilten Senatorin Anne Klein auch kritische Worte mit auf den Weg: Das ständige bürokratische Hick-Hack müsse endlich ein Ende haben. Vorstandsmitglied Rilling machte denn auch klar, mit welchem „Erfolgsrezept“ der Verein seit zehn Jahren arbeite: „Immer am Rande der Legalität“ müsse man sich bewegen, um den Verwaltungstechnokraten ein paar Mark abzuknöpfen.
Thomas Langhoff
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