: ZWISCHEN DEN RILLEN
■ Cosmic Psychos: „Go The Hack“ / Pankow: „Gisela“
Rumpsrumpshack h a c k: Done it again, you know I've done it agaaaain!!“ Was denn? „Sittin‘ in this pub since half past ten.“ Trinken also. Was vielleicht nicht so schlimm wäre, wenn der Bassist nicht am nächsten Morgen in aller Frühe wieder die Kühe melken müßte. Erzeugerabfüllung. Die Farm liegt mehrere Autostunden von Melbourne.
Go the hack heißt die neue Platte der australischen Cosmic Psychos, und dieses Mal zeigt das Cover die Band auf einem Caterpillar posierend, drei Jungs mit enorm dicken Schenkeln und Popeye-Unterarmen. Die Szene ist eingetaucht in ein sehr tiefes, orangefarbenes Orange, das nicht nur von den Burschengesichtern, ihrem zu allem entschlossenen Mienenspiel herabglänzt, sondern auch, im Kontrast zu einem hyperrealistischen Blau, von der Landschaft abzustrahlen scheint. Über die Flanellhemden, das Schuhwerk Marke Ackersegen und die riesige Schaufel spielt es zurück bis in den Dreck hinein, der offenbar mit ihr weggebaggert werden soll. In die untere Schaufelkante ist in kantigen Lettern der LP-Titel eingeschrieben, was einem äußerst konsequent vorkommen will. Denn wahrscheinlich illustriert das alles zusammen ja nichts anderes als „go the hack“.
Sowas Raffiniertes denken sich nur sehr einfache oder sehr komplizierte Gemüter aus. Wie dem auch sei, wenn das Image schon die Fortsetzung von Go the hack mit anderen Mitteln ist, ist die Musik natürlich Go the hack selbst, erst recht und pur. Abräummentalität. Songs, so kompakt und gedrungen wie die Körper, die sie aus sich herausklöppeln, auch weitgehend ohne Soli und sonstige überflüssige Verzierungen. She's a lost cause, she's a lost cause, ta -ta-ta-taang! Rip'n'Dig!, She's cracking up!, Alright Tonite! Und zum Schluß dann wieder, mit Direktanschluß nach vorne - Go the hack! Abwechslung bringt allenfalls ein böse fauchendes Wahwah-Pedal und ein sehr effektvolles Variieren der drei Akkorde (in Wirklichkeit sind es fünf oder sechs, mehr aber nicht), ansonsten wird voll durchgezogen in wunderbar stur-stumpfer Behämmertheit, die ja, wird sie nur gradlinig genug ausgeführt, beim Hörer bekanntlich das Empfinden großer Schönheit hervorrufen kann. Bei den Cosmic Psychos ist das so. Weiß auch nicht warum. Sätze werden kürzer. Muß irgendwie an Go the hack liegen. Egal. Im vorderen Drittel des neuen australischen Holzfällertums angesiedelt und von den Harten die Besten.
Den Vorwurf einer gewissen Stupidität muß sich auch immer wieder jene Ecke gefallen lassen, für die sich die Begriffe Techno-Pop und Electronic Body Music durchgesetzt haben. Am Rande dieses weiten Feldes treibt die Band des Italieners Marizio Fasolo, die aus schwer zu durchschauenden Gründen Pankow heißt, ihr furchterregendes Unwesen, und das schon seit Jahren. „P für Perversion, A für Aggression, N für Naturkatastrophen, K für Kreativität, O für Obsession und W für Wahnsinn“, dichtete die Zeitschrift 'New Life‘ einmal hymnisch. Wie sieht das auf der neuen LP Gisela, die teilweise deutsche Texte hat, konkret aus? Zum Beispiel so: „Let me be Stalin / Let me be Stalin / Let me be Stalin / Let me be Stalin“ (Let me be Stalin). Oder: „Deutsches Bier/ Deutsches Bier / Deutsches Bier / Deutsches Bier“ (Deutsches Bier). Der Rest skandiert rhythmisch heraus, was dem Hirn gerade an besonders üblen Gemeinheiten und extrafaustdickem Bösebubentum so einfällt. „Got to find a way to kill my parents... be proud to be a psychopathic poet... this is time for action, for sodomy and rape“ usw. Das alles hat aber mehr von einer Moritat als von plötzlich sich auftuenden Abgründen der Psyche. Theater der Grausamkeit als Kasperletheater: Der Schurke ißt „die Beine von Dolores“ mit Senf und Mayonnaise, und aus der Geschichte von Rotkäppchen wird ein Grusical mit viel Blut.
Gähn. Leider keine Spur von Wahnsinn oder Perversion spürbar, sondern nur der unbedingte Wille zum wohlfeilen Leuteerschrecken. Ein stark auf Effekt kalkuliertes, ziemlich schales Gebräu aus DAF-Ingredienzen, Killing-Joker -Machismo, Neubauten-Klingklang, Front-242-Schlaufen und Gymnasiastenhumor der bescheideneren Sorte, mit anderen Worten: ein etwas stinkender, aber ziemlich unbedeutender Furz, dem hoffentlich keiner den Gefallen tun wird, sich darüber aufzuregen.
Thomas Groß
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