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Auslandsvermögen drastisch, Einkommen kräftig gestiegen

■ Bundesbank macht die Deutschen als ein Volk von Geldsäcken aus / Aber auch Konsum auf Pump ging herauf / Japans Anlagen und US-Schulden explodiert

Frankfurt (ap) - Das Auslandsvermögen der Bundeserepublik ist in den vergangenen vier Jahren drastisch gestiegen. Wie die Bundesbank in ihrem Monatsbericht für Oktober mitteilte, wuchs dieses Vermögen von 125 Milliarden Mark Ende 1985 bis Mitte 1989 auf 427 Milliarden. Zuvor war der Anstieg viel schwächer ausgefallen: Ende 1981 hatte das Auslandsvermögen erst 65 Milliarden Mark betragen.

Japans Aufstieg zur größten Gläubigernation verlief dem Bericht zufolge sogar noch steiler: Während der bundesdeutsche Saldo von Ende 1980 bis Ende 1988 von 33 auf 206 Milliarden Dollar zunahm, schoß der japanische in diesem Zeitraum von zwölf auf 292 Milliarden Dollar in die Höhe. Der Saldo der Vereinigten Staaten sackte im gleichen Zeitraum von plus 106 auf minus 533 Milliarden Dollar.

Die Nettoerträge aus den Anlagen schwankten nach Angaben der Bundesbank zwischen sieben und neun Milliarden Mark jährlich. Erst in den ersten acht Monaten des Jahres 1989 erreichten sie zwölf Milliarden Mark, nachdem die Zinsen gestiegen waren und Wechselkursverluste nachgelassen hatten.

Der größte Teil des bundesdeutschen Nettovermögens, gut 300 Milliarden Mark, ist nach dem Bericht der Notenbank in westlichen Industrieländern angelegt. Besonders verstärkte sich in den vergangenen drei Jahren die Nettoposition gegenüber den EG-Ländern. Die Bundesrepublik wurde vom Schuldner (minus 30 Milliarden) zum Gläubiger (plus 151 Milliarden). In den Vereinigten Staaten stiegen die Nettoanlagen von 73 Miliarden auf 95 Milliarden Mark.

Die Bundesbank wies allerdings einschränkend auf eine Verzerrung der Zahlen hin, da das Geld über Finanzzentren in Großbritannien, der Schweiz und Luxemburg geschleust werde, „ohne daß eindeutig ersichtlich ist, in welche Länder diese Mittel letztlich weitergeleitet werden“.

Die Schuldnerposition gegenüber den Opec-Ländern verringerte sich laut Bundesbank von 30 Milliarden auf knapp 20 Milliarden Mark. Das Vermögen in den übrigen Entwicklungsländern nahm von gut 40 auf über 60 Milliarden Mark zu. In den Staatshandelsländern wurde netto kaum mehr Geld angelegt: Das bundesdeutsche Vermögen wuchs dort von 26,7 auf 33,8 Milliarden Mark. Bei internationalen Organisationen hat die Bundesrepublik unverändert netto knapp 32 Milliarden Mark angelegt.

All diese Zahlen sind reine „Netto„-Beträge, also die Differenz aus bundesdeutschen Auslandsanlagen und ausländischen Anlagen hier. Die Bruttoauslandsaktiva der Bundesrepublik stiegen dagegen den Angaben zufolge seit Ende 1985 jährlich um rund 15 Prozent. Sie wuchsen von 514 Milliarden Mark auf 1.350 Milliarden.

Doch nicht nur die Auslandsanlagen und überhaupt die Investitionen wuchsen nach Erkenntnissen der Bundesbank; auch die Gelder im Portemonnaie bei den Westdeutschen allerdings auch ihre Verschuldung. Das verfügbare Einkommen der Bundesbürger ist im ersten Halbjahr des Jahres kräftig um 4,8 Prozent gestiegen: Sie zogen daher die Spendierhosen an und kauften vor allem mehr Möbel sowie größere Autos und gaben außerdem erheblich mehr Geld auf Auslandsreisen aus. Ursache sei die „ausgeprägte Hochkonjunktur“ gewesen. Mit 9,6 Prozent stiegen allerdings zugleich die Abzüge durch die Lohnsteuer im Vergleich zu den ersten sechs Monaten von 1988 deutlich an.

Die Bruttolohn- und Gehaltssumme nahm der Bundesbank zufolge im Berichtszeitraum um 4,6 Prozent zu, weil über 300.000 Menschen mehr beschäftigt waren. Um die gleiche Rate stiegen auch die Sozialversicherungsbeiträge. Für den Konsum verschuldeten sich die Bundesbürger im ersten Halbjahr erheblich stärker: 1989 lag die Kreditaufnahme bei 10,1 Milliarden Mark, 1988 dagegen erst 6,4 Milliarden Mark.

Aus Renten, Pensionen und Unterstützungen bezogen die Bundesbürger laut Bundesbank 3,1 Prozent mehr Geld, unter anderem weil weniger Menschen Arbeitslosengeld und -hilfe erhielten und die Leistungen der Krankenversicherungen wegen der Gesundheitsreform „wesentlich geringer“ ausfielen.

Weil die Sparer Anlageformen mit höheren Zinsen bevorzugten und die Selbständigen mehr aus den Betrieben entnahmen, stiegen die Einnahmen aus diesen beiden Bereichen den Berechnungen zufolge sogar um acht Prozent. Die Abschaffung der Quellensteuer habe die Sparer wieder aus dem Ausland ins Inland zurückgeholt.

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